Schlussakt
Geschwister, und zwar happig. Letztes Jahr ist
ihr Vater gestorben, der alte Glaßbrenner, und sie hat seine Kanzlei
übernommen, mit sämtlichen Klienten. Lauter verwöhnte Geldsäcke, einer ekliger
als der andere. Cordula ist ins kalte Wasser gesprungen, und was meinst du, wie
sie jetzt strampeln muss? Jede Nacht schlägt sie sich um die Ohren. Und dass
die Einrichtung der Kanzlei eine Zumutung ist, weiß sie selbst. Aber was
glaubst du, was passieren würde, wenn sie Bilder nach ihrem Geschmack aufhängen
würde? Die Hälfte ihrer Klientel würde zu einer anderen Traditionskanzlei
wechseln, wo der Senior noch selbst die Geschicke lenkt.«
Covet hatte sich heiser geredet. Na und? Sollte ich reingehen
und Cordula in den Arm nehmen? Wer hatte sie gezwungen, die Kanzlei zu
übernehmen?
»Der alte Glaßbrenner«, sagte Marc, nun wieder in normaler
Lautstärke, »war ein furchtbarer Typ. Ein Feldwebel, wie er im Buche steht.
Drei Söhne, und alle haben einen Knacks. Warum? Weil er jedem sagte, was er wie
und warum zu tun hatte. Cordula war die Einzige, die sich diesem Terror
einigermaßen entziehen konnte. Aber wenn sie etwas auf den Tod nicht ausstehen
kann, dann einen Ratschlag, wie sie ihre Arbeit machen soll.«
»Wenn Max Koller trifft«, schmunzelte ich, »dann trifft er
richtig.«
»Ja. Leider hast du die Falsche getroffen. Wer soll Bernd
denn raushauen, wenn nicht sie? Kennst du vielleicht einen guten Anwalt?«
»Ich kenne überhaupt keinen Anwalt. Aber Cordula sollte Nagel
zur Vernunft bringen. Ob auf meinen Rat hin oder nicht, ist mir schnuppe. Bloß
erzählen, was war, das soll der Kerl.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen«, murmelte Covet und
wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ich wartete, bis er damit fertig war, dann sagte ich: »Lass
mich mein Ding machen und Cordula ihres. Anschließend kannst du versuchen,
beides zusammenzupuzzeln. Vielleicht gelingt es dir ja.«
Er zuckte die Achseln. »Mal sehen.«
Auf getrennten Wegen fuhren wir nach Hause.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
18
Fattys Traumfrau entpuppte sich als reichlich
kurz geratene Person mit stämmigen Oberarmen und einem runden Gesicht, in dem
rote Apfelbäckchen glühten. Evas Energie reichte für zwei, das sah man sofort,
und über ihren unleugbaren Hang zur Korpulenz lachte sie fröhlich hinweg.
Überhaupt machte sie wenig Aufhebens um ihr Äußeres. Fix die dunklen Haare in
ein Zopfgummi gezwängt; wen störte es, wenn ein paar Strähnen überm Ohr
baumelten? Sie packte meine Hand mit der Kraft eines Ringers und schüttelte
sie, bis mir die Finger schmerzten. Ihre kleine Nase war mit winterfesten
Sommersprossen gesprenkelt.
Ein Kompromiss zwischen mir und dir, hatte Fatty gesagt. Das
kam sogar hin.
»Max Koller«, stellte uns mein aufgeregter Freund vor. »Eva
Gerber.«
»Freut mich«, strahlte Eva und spielte Mikado mit meinen
Fingerknochen. Gerber – wo war mir dieser Name zuletzt begegnet? Keine Ahnung.
Gerber heißen viele.
Ihre unbeugsame Fröhlichkeit war mir zunächst suspekt, wie
mich jeder Mensch irritierte, der gute Laune zu seinem Lebensprinzip erklärt
hat; aber Evas Lachen erwies sich als so natürlich und dauerhaft wie bei
anderen Leuten das Atmen. Ihr Körper verlangte danach, wahrscheinlich gluckste
sie sogar im Schlaf vor sich hin, und wenn es nichts mehr zum Lachen gab,
konnte man sich immer noch darüber amüsieren, dass beileibe nicht jedes
menschliche Wesen so gut gebaut und gepolstert war wie sie oder Fatty. Sondern
dass auf dieser Erde auch Spargeltarzans wie ich herumliefen.
»Na, Hunger mitgebracht?«, fragte Fatty.
»Geht so. Was gibts denn?«
»Oho, große Überraschung, mein Junge! Aber hallo.«
Eva bekam einen Lachkrampf.
»Da gibts nix zu lachen«, protestierte Fatty. »Das Rezept ist
von meiner Großmutter. Das halbe Rezept jedenfalls.«
Oma Sawatzki stammt aus Schlesien. Ich stellte mich innerlich
auf Karpfen, Klöße und Kapernsoße ein, abgerun det
mit einem kräftigen Schuss Kümmel. Denn ein Tag ohne Schnaps war für Fattys Oma
ein verlorener Tag.
Während sich mein dicker
Freund in der Küche einschloss, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, Evas
Urlaubserzählungen lauschen zu dürfen, unterlegt mit einer endlosen Folge von
Fotos, die alle blauen Himmel, eine weiße Skipiste und dick vermummte
Flachländer zeigten. Ab und zu hob man gemeinsam etwas Hochprozentiges ins
Bild,
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