Schlussakt
seit Ewigkeiten, dass ich nicht nachwürzen
muss.«
Fatty wandte sich ihr langsam zu. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Mein voller Ernst«, lachte sie.
»Man gewöhnt sich dran«, sagte ich versöhnlich. »Auch an
WC-Reiniger.«
Der Waschbär schwieg. Schwieg und schluckte. Dann blickte er
uns fest an und sagte feierlich: »Ihr beide esst das jetzt, Bissen für Bissen.
Und wenn es einem von euch zu scharf ist, wenn ich in einem Augenwinkel auch
nur ein winziges Tränchen entdecke, schmeiße ich das Zeug eigenhändig zum
Fenster hinaus. Das schwöre ich euch.«
»Und wenn nicht?«
»Dann folge ich eurem Beispiel.«
Und so geschah es. Fatty schaute zu, wie wir unsere Teller
leerten: genüsslich, gierig, mit aufmunterndem Lächeln. Während Eva zu einer
weiteren Lobeshymne ansetzte, ließ ich es mir nicht nehmen, auf die letzte
Gabel ein wenig Extra-Pfeffer zu streuen. Fattys Adamsapfel geriet in Bewegung.
Aber mein alter Kumpel hatte nicht umsonst im Alter von 17
Jahren den Tourmalet im Alleingang bezwungen, mit einem altersschwachen
Zehngangrad unter und einer akuten Eiweißvergiftung in sich. Hin und wieder
bewies er Zähigkeit. Kaum hatten wir unser Mahl beendet, als er zur Gabel griff
und sich dem süditalienischen Höllenfeuer hingab. Bissen für Bissen stopfte er
in sich hinein, das Wasser lief ihm in Bächen übers Gesicht, seine Pupillen schrumpften,
doch er hielt durch.
Zu guter Letzt schob er den leeren Teller außer Reichweite,
wischte sich den Schweiß von der Stirn und steckte einen Kanten Weißbrot in den
Mund. »Kein Kommentar!«, röchelte er. »Ich will nichts hören. Nie wieder.
Themenwechsel.«
»Prost, mein Held!«, rief Eva und gab ihm einen Kuss.
»An diesem Tisch sitzt nur ein Held«, sagte Fatty grimmig,
»und der heißt Max Koller.«
»Weil er zu Ende gekocht hat?«
»Weil er Privatdetektiv
ist, ein begnadeter Schnüffler vor dem Herrn. Manchmal löst er sogar einen
Fall.«
Es hätte mich gewundert, wenn er Eva nicht im Vorfeld des
Abends lang und breit von der seltsamen Profession seines besten Freundes
vorgeschwärmt hätte. Sie war auch keineswegs überrascht, sondern erkundigte
sich ganz pragmatisch nach Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und finanziellem
Ertrag.
»Man lebt«, sagte ich, die schöne Formulierung von Frau Stein
aufgreifend. »Nicht gut und nicht schlecht, das wechselt. Irgendwann, in 40, 50
Jahren, wird man um mich nicht mehr herumkommen, weil ich schon so lange am Ort
bin, schon so lange durchgehalten habe, dann komme ich groß raus und mache
Kohle. Aber ob ich das noch erlebe, weiß ich nicht.«
»Er will ja nur nicht zugeben, dass er gerade dick im
Geschäft ist«, sagte Fatty mit wegwerfender Handbewegung.
Ich zuckte die Achseln.
»Na, komm, erzähls ihr schon.«
»Geht es um den Mord im Theater?«, fragte Eva.
Ich berichtete. Große Lust, mich beim Abendessen über den
Fall zu äußern, hatte ich nicht, aber wenn Fatty mit mir ein wenig angeben
wollte, meinetwegen. So oft bekam er nicht die Gelegenheit dazu. Der Mord an
Barth-Hufelang war für beide eine Neuigkeit. Synchron schüttelten sie den Kopf,
Fatty vergaß sogar zu schwitzen.
»Der war doch auch mal mit Annette zusammen«, sagte Eva.
»Kennst du ihn?«
»Ihn nicht. Die Nierzwa ein bisschen. Mein Bruder hätte fast
was mit ihr gehabt.«
»Der auch? Die gute Frau hat wirklich keinen ausgelassen.«
»Genau. Mike sah es irgendwann ein und gab ihr den Laufpass.
Erst machte sie ihm eine Riesenszene, nur um eine Woche später mit dem nächsten
anzutanzen.«
»Mike«, sagte ich nachdenklich. »Mike Gerber … Wann war das?«
»Keine Ahnung. Vor zwei Jahren vielleicht.«
»Ist dein Bruder zufälligerweise Schauspieler?«
»Ja«, entgegnete sie verblüfft. »Kennst du ihn?«
»Peter Michael Gerber? Jetziger Wohnsitz München?«
»Richtig.«
»Heidelberg ist ein Dorf.«
»Wieso kennst du Evas Bruder?«, fragte Fatty, ebenso
überrascht wie sie.
»Ich kenne ihn nicht. Seinen Namen habe ich vor ein paar
Tagen zum ersten Mal gehört. Im Zusammenhang mit dem Mord an Annette Nierzwa.«
Fatty und Eva wechselten irritierte Blicke.
»Ich erkundigte mich nach Männern, die einmal eine Affäre mit
der Nierzwa gehabt hatten, und da fiel sein Name. Mehr war es gar nicht. Und
wenn dein Bruder jetzt in München lebt …«
Eva sah mich fragend an.
»Er lebt doch dort?«
»Klar.« Ihr Lachen kehrte zurück. »Falls es dir um ein Alibi
oder so was geht, da kann
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