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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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nicht das Übliche enthielt. Die Schönheit war zwar eine Schönheit,
aber keine weibliche. Frau Dr. Glaßbrenner gönnte sich den Luxus eines Beaus
als Rechtsanwaltsgehilfe.
    Oder sagte man in diesem Fall Rechtsanwältingehilfe?
    »Legen Sie bitte ab«, hauchte das Model. Sein After Shave
roch nach Provence, nach Abenteuer und einem ganz kleinen bisschen Sünde. »Die
Frau Doktor erwartet Sie.«
    »Mhm«, brummte ich. Einen Moment lang zögerte ich, meine alte
Steppjacke einem filigranen Kirschbaumkleiderständer anzuvertrauen, aber ich
konnte sie ja schlecht auf den Schreibtisch des Typen legen.
    »Bitte schön.« Auch die Tür zum Büro wurde mir aufgehalten.
Ich trat ein … und blieb wie angewurzelt stehen.
    »Hallo«, sagte Frau Dr. Glaßbrenner und blickte von ihren
Akten auf. »Sie dürfen nähertreten. Ich beiße nicht.«
    Hinter mir wurde die Tür leise geschlossen. Zurück blieb ein
leichtes Rosmarinaroma. Ich brauchte ein paar
Sekunden, um mich von meiner Verblüffung zu erholen.
    »Ach so«, sagte ich. »Sie
sind das. Na, dann.« Zögernd machte ich ein paar Schritte in den Raum hinein.
    »Überrascht?«
    »Nö.« Sie sah mindestens so appetitlich aus wie am
Sonntagmorgen in Covets Bad. Damals bauchfreies Top, heute figurbetontes
Kostüm. Die Lippen kirschrot, das halblange Haar frei auf die Schulter fallend.
»Cordula, nicht wahr?«, sagte ich, sobald ich ihren Schreibtisch erreicht
hatte, und streckte ihr die Hand hin. Sie erhob sich lächelnd und erwiderte den
Händedruck. Ich hatte völlig vergessen, wie groß sie war.
    »Hallo, Max. Setzen Sie sich doch. Sieht so aus, als hätte
Ihnen Marc nichts über mich und meinen Beruf erzählt.«
    »Sagen wir mal so: Für eine Rechtsanwältin hätte ich Sie
nicht gehalten.«
    »Sondern?«
    »Keine Ahnung.« Mir lag eine Unverschämtheit auf der Zunge,
die ich unter keinen Umständen äußern durfte. Nur Versager wie ich konnten sich
bei einer bestimmen Sorte von Frauen nicht vorstellen, dass sie umsonst zu
haben waren. Bei Frauen von der Klasse Cordulas nämlich.
    »Na gut, lassen wir das. Ich muss Ihnen leider sagen, dass
ich zeitlich enorm angespannt bin. Im Grunde dürfte ich Bernd nicht als
Mandanten betreuen, dazu habe ich viel zu viel um die Ohren. Aber aufgrund der
Freundschaft zu ihm und zu Marc konnte ich es nicht abschlagen.«
    »Hat Nagel Sie darum gebeten?«
    »Nein, das war Marc.« Während sie sprach, hatte sich ihr
Blick abgekühlt. War sozusagen auf Geschäftstemperatur gesunken. Nun sah sie
doch aus wie eine Rechtsanwältin. Und das Drumherum passte dazu. In Covets
Wohnung war sie noch mit ihrem Bauchnabel hausieren gegangen. Heute umgab sie
sich mit eichenholzdunkler Gediegenheit, mit schlichter Bravour und
Edelschnickschnack. In ihrem Rücken hob sich ein großes, farbintensives
Blumenbild von der braunen Vertäfelung ab, das Klecks für Klecks die
Investitionsbereitschaft seiner Besitzerin pries. ›Mann, war ich teuer‹, sagte
das Bild jedem, der es betrachtete. Im Schatten einer Zweimeterpalme lauerte
primitive afrikanische Kunst: eine männliche und eine weibliche Holzfigur,
kleiner als ich, aber mit Geschlechtsteilen wie Airbags. Dass die beiden den
schwarzen Kontinent jemals zu Gesicht bekommen hatten, wagte ich zu bezweifeln,
aber auch als naive Schnitzereien aus dem Odenwald waren sie nicht zu
verachten.
    Ich hatte Zeit, mich der Inneneinrichtung zu widmen, denn
soeben betrat Marc Covet die Kanzlei. Wir hörten ihn draußen ein paar Worte mit
dem Vorzimmermodel wechseln, dann kam er herein, nickte mir kurz zu und beugte
sich über Cordulas Schreibtisch. Küsschen links, Küsschen rechts, wie gehabt.
Ich schien unwillkürlich die Augen verdreht zu haben, anders konnte ich mir die
hochgezogene Braue und das spitze Lächeln der Rechtsanwältin nicht erklären.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte Covet zu mir. »Aber
warum hast du mir vier Zusagen hintereinander gesimst?«
    »Ich habe nur einmal gesimst. Der Rest bestand aus
Fehlversuchen.«
    »Die habe ich alle bekommen. Viermal ›Okay‹ in
unterschiedlichen Formulierungen. Vielleicht solltest du …«
    »Können wir zur Sache kommen, meine Herren?«, unterbrach
Cordula Glaßbrenner. »Marc, ich habe deinem Kollegen bereits erklärt, wie es
mit meinem Zeitmanagement aussieht, und bitte euch beide, das zu respektieren.
Ich helfe, wo ich kann, aber gewisse Dinge sind derzeit nicht machbar.«
    »Ist doch klar«, sagte Marc. »Wir

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