Schlussakt
schweißt
zusammen.«
»Dass ihr Pfälzer seid, hört man aber nicht.«
»Wo kommst du her?«
»Schwer zu sagen, wenn man einen Diplomaten als Vater hat.
Ich bin in Berlin geboren, mein Bruder in Brüssel. Wir haben in den USA gelebt,
in Chile und in Frankreich. Abitur habe ich in Düsseldorf gemacht.«
»Also das genaue Gegenteil von Vorderpfalz.«
Sie lachte. Im nächsten Moment fuhren wir zusammen. Aus der
Küche waren tierische Laute zu hören, das Geheul eines angeschossenen Wolfs.
Wir sprangen auf und stürmten aus dem Zimmer. Fatty hing sabbernd über dem
Spülstein.
»Haut ab!«, brüllte er. »Mir gehts gut. Verschwindet!«
»Was ist los?«
Mit zitternden Fingern drehte er den Wasserhahn auf und
hängte seinen Mund in den Strahl.
»Hast du dich verbrannt?«, fragte Eva. »Können wir helfen?«
Die Antwort bestand in einem erneuten Heulen. Ich sah mich
um. Auf dem Herd standen zwei Töpfe, der eine randvoll mit Wasser. Spaghetti
lagen auf der Küchenwaage. Die Gewürze ordentlich in Reih und Glied,
anscheinend alphabetisch geordnet, ganz vorne die Chilischoten. Mir schwante
etwas.
»Du solltest deinen Vater anrufen«, sagte ich zu Eva. »Es
drohen diplomatische Verwicklungen mit Kalabrien.«
»Das sind keine Chilis«, hechelte Fatty vom Spülstein her.
»Blausäure ist das. Blausäure in Schotenform.«
»Wasser hilft da nicht«, sagte Eva. »Iss lieber ein Stück
Brot.«
Ich nahm eines der roten Teufelchen und leckte daran. Klar
waren sie scharf. Trotzdem kein Grund, die Küche vollzuheulen.
»Hast du vielleicht ein Stück davon abgebissen?«, wollte ich
wissen.
»Wie, abgebissen? Gegessen hab ich eine. Das sagtest du
doch.«
»Ich sagte was von Probieren«, lachte ich und bekam
Gänsehaut. »Nicht von Verschlingen.«
»Dann drück dich nächstes Mal genauer aus.« Fatty warf mir
aus geröteten Augen wütende Blicke zu. Nicht einmal die Brotscheibe, die ihm
Eva reichte, konnte ihn milde stimmen.
»Das geht gleich vorbei«, sagte sie, seinen Rücken
tätschelnd.
»Das hat der Kerl mit Absicht getan«, murmelte Fatty. »Nur um
mich bloßzustellen. Der kann einfach nicht verknusen, dass ich mit einer
Freundin aus dem Skiurlaub zurückgekommen bin.«
Mit einer Freundin, ja. Und mit einem Waschbärengesicht. Er
hatte immer noch diese weißen Partien rund um seine rotgeränderten Augen, was
einen interessanten Kontrast ergab.
»Vorschlag zur Güte«, sagte ich. »Du erholst dich von deinem
Selbstversuch, und ich springe als Hilfskoch ein. In 20 Minuten sind die
Spaghetti fertig.«
»Einverstanden«, nickte er. »Mein Geschmackssinn ist ohnehin
zum Teufel.«
Er trollte sich, von einer kichernden Eva gestützt. Ich
atmete auf. Das Abendessen war gerettet, und die beiden Turteltäubchen konnten
nach Herzenslust auf dem Sofa kuscheln. Ich stellte die Herdplatten auf
Anschlag, schnippelte Zwiebeln und ließ die Soße schön einköcheln. Da ich die
Handschrift von Oma Sawatzki nicht entziffern konnte, hielt ich mich an das
kalabrische Rezept, und zwar mit den originalen Mengenangaben für die Chilis.
Fatty hatte seine Initiation ja hinter sich.
Aber irgendwie schienen ihm die Schoten den Rachen aufgeschmirgelt
zu haben. Als wir endlich aßen, lobte Eva die beiden Vorderpfälzer Köche, die
schlesische Großmutter und alle Kalabrier in einem Atemzug, während sich einen
Teller weiter Fattys Augen schon wieder mit Wasser füllten. Nach der dritten
Gabel legte er das Besteck zur Seite, den Kopf nach hinten und heulte los.
»Du verdammter Scheißkerl!«, brüllte er. »Du elender
Hurensohn!« Er warf seinen Stuhl um und rannte aus dem Zimmer. Eva sah ihm
verwundert nach.
»Ist die Soße zu scharf?«, fragte ich sie unbehaglich.
»Aber keine Spur«, erwiderte sie. »Schön würzig. Absolut
ideal. In Chile hab ich ganz anderes Zeug gegessen.«
Spätestens von diesem Zeitpunkt an war sie mir sympathisch.
Ein paar Minuten später kam Fatty vom Klo zurück: Ein
angeschlagener Boxer stieg zur letzten Runde in den Ring. »Lass die Finger von
dem Fraß«, riet er Eva heiser. »Der Kerl hat Nitroglyzerin hineingeschüttet.«
»Wo hinein?«
»Oder WC-Reiniger.« Der Enkel von Oma Sawatzki rückte den
Stuhl wieder an den Tisch, ließ seine 220 Pfund Lebendgewicht daraufplumpsen
und funkelte mich aus klatschnassem Gesicht böse an.
Abwehrend hob ich die Hände.
»Mensch, Friedhelm«, sagte Eva, »mir schmeckts phantastisch.
Echt wahr. Das ist das erste Mal
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