Schlussblende
er sie packen konnte. »War-um nicht, Sergeant? War ihr etwa an etwas mehr Distanz gelegen? Ich meine, nachdem sie sich mit einem Mann angefreundet hatte?«
Chris ging zur Tür und hielt sie auf. »Gute Heimreise, Inspector Wharton.«
Wharton nahm sich Zeit, aus dem Sofa hochzukommen. »Eine interessante Reaktion, Sergeant.«
»Wenn Sie Shaz’ Andenken beschmutzen und mich kränken wollen, dann nicht in meiner Wohnung. Beim nächsten Mal machen Sie sich die Mühe, mich formell vorzuladen, Sir.«
Sie blieb unter der Tür stehen, bis sie Wharton und Sidekick Richtung Fahrstuhl gehen sah, schickte dem Inspektor ein gemurmeltes »Arschloch« hinterher, knallte die Tür zu und rief eine gute alte Freundin im Innenministerium an.
»Dee? Hier ist Chris. Ich brauche deine Hilfe. Ihr habt einen Psychologen auf der Gehaltsliste, einen komischen Kauz namens Tony Hill. Ich brauche seine private Telefonnummer …«
Auf dem Weg zu einem Sitz in der sechsten Reihe der leeren Tribüne fiel ihm der junge Schwarze auf. Wenn man wie Jimmy Linden viele Jahre mit vielversprechenden Nachwuchssportlern arbeitet, gewöhnt man sich an, Fremde genau unter die Lupe zu nehmen. Es ging nicht nur um Schwule, die sich an seine jungen Schützlinge ranmachen wollten, auch geschäftstüchtige Drogenhändler wollten sie immer wieder mit trügerischen Versprechungen auf die schiefe Bahn locken, da Anabolika schneller als hartes Training zu den Muskeln verhelfen, die Leichtathleten brauchen. Ein waches Auge konnte da nie schaden, besonders hier im Meadowbank Stadion, wo Jimmy die schottische Juniormannschaft für den Kampf um die Meisterschaft trainierte. Machte keinen schlechten Eindruck, der fremde Schwarze, gute körperliche Kondition. Trotzdem behielt Jimmy ihn vorsichtshalber bis zum Trainingsende im Auge.
Als er seinen verschwitzten Jungs in die Umkleideräume folgen wollte, stand der Schwarze plötzlich vor ihm und zeigte ihm einen Dienstausweis. Lesen konnte Jimmy ihn in der Eile nicht, aber er wußte, daß Dienstausweise so aussehen. »Detective Constable Jackson«, stellte der Fremde sich vor. »Könnten Sie mir eine halbe Stunde Ihrer Zeit opfern?«
Jimmy verzog ärgerlich das Gesicht. »Sie werden keine Drogen bei meinen Jungs finden. Ich achte darauf, daß mein Team sauber bleibt, und das wissen alle.«
Leon schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Es hat nichts mit Ihrer Mannschaft zu tun. Ich möchte nur Ihre Erinnerungen ein wenig anzapfen. Wegen einer alten Geschichte. Das ist alles.«
»Was für eine alte Geschichte?«
Leon merkte, daß es den Trainer in den Beinen juckte, seinen Jungs nachzueilen. Trainer haben ihrer Mannschaft immer etwas zu sagen. »Nichts, was Sie beunruhigen könnte, ehrlich. Hören Sie, ich habe ein Stück die Straße runter ein halbwegs vernünftiges Café entdeckt. Wie wär’s, wenn wir uns dort treffen, sobald Sie mit Ihren Jungs fertig sind?«
Und so saßen sie sich eine halbe Stunde später bei einem Becher Tee und einem Teller mit Gebäck gegenüber, von dem allerdings, als Jimmy Linden zuzugreifen begann, innerhalb kürzester Zeit nicht mehr viel übrigblieb.
»Also, worum geht’s?« wollte Jimmy wissen.
»Aus naheliegenden Gründen kann ich nicht auf Details eingehen«, sagte Leon, »aber wir untersuchen da einen Fall, dessen Wurzeln möglicherweise bis weit in die Vergangenheit zurückreichen. Sie könnten mir vielleicht ein paar Hinweise geben.«
»Worüber denn? Ich versteh nur was von Leichtathletik.«
Leon nickte. »Die Sache liegt zwölf Jahre oder mehr zurück.«
»Da war ich noch gar nicht hier. Ich hab damals unten im Süden gearbeitet.«
»Richtig. Sie haben Jacko Vance trainiert«, sagte Leon.
Ein Schatten huschte über Jimmys Gesicht. Er legte den Kopf schief und sagte: »Sie denken doch nicht, daß Sie Jacko was anhängen können und ich Ihnen auch noch dabei helfe?« In den wasserblauen Augen glitzerte es amüsiert.
»Davon habe ich nichts gesagt, Mr. Linden.«
»Jimmy, mein Junge. Alle sagen Jimmy zu mir. Also Jacko Vance, eh? Und was soll ich Ihnen über den Wunderknaben erzählen?«
»Alles, woran Sie sich erinnern können.«
»Wie lange haben Sie denn Zeit?«
Leon zog eine Grimasse. »So lange Sie brauchen, Jimmy.«
»Na, dann wollen wir mal sehen. Er ist, als er dreizehn war, britischer Jugendmeister geworden. Als ich gesehen habe, wie er den Speer wirft, wußte ich, daß er unsere größte Olympiahoffnung seit langem wird. Aber dann …« Er schüttelte
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