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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Abendveranstaltungen gesehen und, wie zahlreiche andere Fans, zur Teilnahme an seiner fiktiven Befragungsaktion überredet hatte. Daß er bei Philip Hawsley anfing, lag nur an der relativ kurzen Fahrstrecke.
    Tony folgte ihm in das winzige, nach vorn gelegene Wohnzimmer, das durch seine Einrichtung und wegen des Geruchs nach Möbelpolitur und Luftverbesserer an einen Museumsraum unter dem Motto »Das Leben der Lower-middle-Class in den frühen Sechzigern« erinnerte. Hawsley, dem Äußeren nach zwischen dreißig und fünfzig, genauer ließ sich das nicht bestimmen, fuhr sich ständig über die Knöpfe seiner Strickjacke, als wolle er sich vergewissern, daß alle dran waren, und schielte im Minutentakt auf seine Fingernägel, als wär’s denkbar, daß sie seit dem letzten Mal auf wundersame Weise schmutzig geworden waren. Sein graues Haar war militärisch kurz geschnitten, die Schuhe auf Hochglanz poliert. Er bat Tony, Platz zu nehmen, und setzte sich in akkurater Haltung, Knie und Knöchel eng beieinander, Tony genau gegenüber. Besuchern eine Erfrischung anzubieten, sah das Hausreglement offenbar nicht vor.
    »Eine tolle Sammlung«, staunte Tony nach einem ersten kurzen Rundblick durch das Zimmer. Eine ganze Wand war den mit dem Datum und dem Titel der Sendung versehenen Videobändern vorbehalten; sogar vom Sessel aus konnte Tony erkennen, daß es sich bei den allermeisten Kassetten um Aufzeichnungen von
Besuch von Vance
handelte. Ein mit Folie überzogenes Wandbord war mit Einklebebüchern und Fotoalben vollgestopft. Das Prunkstück thronte auf dem Sims des gasbefeuerten Kamins: ein gerahmtes Farbfoto, auf dem Hawsley und Jacko Vance sich die Hand schüttelten.
    »Es muß Jahre gedauert haben, um das zusammenzutragen.«
    »Ich habe mir dieses Archiv zur Lebensaufgabe gemacht«, sagte Hawsley stolz. »Wissen Sie, wir sind im selben Alter, Jacko Vance und ich, auf den Tag genau. Ein Gefühl sagt mir, daß unsere Schicksalsfäden miteinander verwoben sind. Jacko ist durch seinen Mut, seinen Sinn fürs Gemeinwohl, seine Herzlichkeit und sein Mitgefühl für andere das verehrungswürdigste Idol unserer Zeit. Es ist eines der kleinen Paradoxa des Lebens, daß er einen Teil von sich verlieren mußte, um anderen soviel geben zu können.«
    »Ich hätt’s nicht schöner ausdrücken können«, sagte Tony mit der Routine eines Mannes, der jahrelang von Berufs wegen mit Geisteskranken geplaudert hatte. »Ein leuchtendes Vorbild, unser Jacko.« Und als Hawsley sich ein wenig entspannte, so daß er nun in nahezu natürlicher Haltung in seinem Sessel saß, fügte er hinzu: »Ich würde zu gern einen Blick in Ihre Fotoalben werfen. Es gibt nämlich bestimmte Zeitpunkte in Vance’ Karriere, die uns im Zusammenhang mit unserer Studie besonders interessieren.«
    Hawsley ging bereitwillig auf die Bitte ein. Tony mußte ihm nur eines der Daten nennen, die er sich vorher eingeprägt hatte, und schon nahm Hawsley das Album vom Wandbord und schlug es an der richtigen Stelle auf. Sein Gedächtnis schien, was sein Idol Jacko anging, phänomenal zu sein.
    Es dauerte nicht lange, bis Tony fündig wurde. Zwei Tage vor dem Verschwinden des ersten Teenagers aus Shaz’ Siebenergruppe hatte Jacko Vance an der Einweihung eines Pflegeheims in Swindon teilgenommen. Ein Schaudern lief Tony über den Rücken, als er auf dem zweiten der vier Fotos, die Hawsley von dem Ereignis gemacht hatte, ein vertrautes Gesicht neben dem strahlend lächelnden Vance ausmachte. Debra Cressey, mit vierzehn Jahren spurlos verschwunden, und nur zwei Tage vorher hatte sie Vance, der gerade ein Foto für sie signierte, mit leuchtenden Augen angehimmelt.
    Zwei Stunden später glaubte Tony abermals eines der vermißten Mädchen auf einem von Hawsleys Fotos zu erkennen, direkt neben Vance, offenbar im Gespräch mit ihm. Weil sie den Kopf zur Seite wandte, war es schwierig, mit Bestimmtheit zu sagen, daß es sich tatsächlich um den verschwundenen Teenager handelte. Er mußte irgendwie an dieses Foto rankommen. »Würden Sie mir wohl ein paar Fotos für einige Tage ausleihen?« fragte er.
    Hawsley schüttelte entschieden den Kopf und starrte Tony geradezu schockiert an. »Selbstverständlich nicht. Meine Sammlung muß vollständig erhalten bleiben. Was ist, wenn ich sie plötzlich brauche, und dann fehlen ein paar Stücke?«
    »Und was ist mit den Negativen? Haben Sie die noch?«
    Hawsley sah ihn gekränkt an. »Natürlich habe ich die. Glauben Sie, ich lasse hier

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