Schlussblende
können?« fragte Simon.
Adams zog die Tür auf und ließ Simon eintreten. Das Wohnzimmer machte einen tadellos aufgeräumten Eindruck. Kein Staub auf dem Fernseher, kein Fleck auf den Schondecken der Sessellehnen, kein Schmutzfilm auf dem Glas der gerahmten Fotos. Harold Adams hatte recht, er brauchte keine Hilfe.
»Ich bin der letzte, der noch hier wohnt«, sagte er mit unüberhörbarem Stolz. »Als wir 1947 hierhergezogen sind, war die Straße noch eine große Familie. Jeder kannte jeden, und alle hatten ständig was zu streiten. Heute kennt keiner mehr den anderen, aber streiten, das können sie immer noch.« Sein Grinsen erinnerte Simon irgendwie an einen alten Geier.
»Das glaub ich Ihnen aufs Wort. Sie müssen also die Familie Vance ziemlich gut kennen?«
Adams kicherte. »’ne Familie würd ich das nicht nennen. Sein Dad war angeblich Ingenieur, aber wenn Sie mich fragen, war das nur ein Vorwand, damit er sich wochenlang abseilen konnte. Verdient hat er anscheinend ganz gut. Lief immer rum wie aus’m Ei gepellt. Nur bei seiner Frau und dem Kind hat er geknausert.«
»Wie war sie denn?«
»Ein konfuses Weib. Hatte nie Zeit für Jacko, nicht mal, als er noch ’n Baby war. Hat ihn im Kinderwagen vor die Haustür gestellt und da stehen lassen, manchmal sogar im Regen.«
»Hat sie getrunken?«
»Nicht, daß ich wüßte. Sie mochte den Jungen einfach nicht. Er war ihr lästig, vermute ich. Als er älter wurde, hat sie ihn draußen rumtoben lassen. Nur, wenn Nachbarn sich beschweren kamen, ist sie wie eine Furie auf ihn losgegangen. Was sich drinnen abgespielt hat, weiß ich nicht, aber der Junge hat manchmal zum Steinerweichen geschluchzt. Andererseits, er war eben auch kein Engel.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ein garstiger Bengel, der Jacko. Egal, was später alles über ihn erzählt wurde – daß er ’n Held und ’n toller Sportler ist und so, bei dem hat die Gemeinheit zum Himmel gestunken. Oh, er konnte auch sehr lieb sein, wenn er dachte, es könnte was für ihn rausspringen. Die Frauen, die sind auf ihn reingefallen, die hat er alle um den kleinen Finger gewickelt. Nur – na ja, ich hab ihn mal erwischt, wie er drüben in der Boulmer Street, hinter den Garagen, ’ne Katze quälen wollte. Hatte das arme Vieh am Wickel gepackt, damit sie ihn nicht kratzen konnte, und wie ich um die Ecke komme, seh ich, daß er ihren Schwanz in einen Petroleumkanister tunkt. Und auf dem Boden liegen schon Zündhölzer bereit. Na, ich hab dem Kerl einen Tritt in den Hintern verpaßt, den hat er so schnell nicht vergessen. Geholfen hat’s, glaub ich, trotzdem nichts. In unserer Gegend sind immer wieder Katzen verschwunden. Die Leute haben alle möglichen Vermutungen angestellt. Aber ich hatte meine eigene Theorie.«
»Hm«, sagte Simon nachdenklich, »wirklich ein garstiger Bengel.« Beinahe zu schön, um wahr zu sein. Die typischen Merkmale eines Psychopathen. Katzen quälen war eines der Musterbeispiele in jedem zweiten Lehrbuch. Und Harold Adams hatte es mit eigenen Augen gesehen.
»Ein richtiger Leuteschinder«, fuhr der alte Mann fort, »hat die Kleineren gepiesackt, wo er nur konnte. Nicht direkt, dafür war er zu schlau. Hat sie überredet, irgendwas Gefährliches zu machen, und sich halb totgelacht, wenn sie sich verletzt haben. Joan und ich, wir waren froh, daß unsere Kinder damals schon groß und aus dem Haus waren. Und dann ist er eines Tages dahintergekommen, daß er beim Speerwerfen ein As ist. Seitdem haben wir ihn kaum noch gesehen. Ehrlich gesagt, wir haben alle aufgeatmet, daß wir ihn los waren.«
»Komisch«, wandte Simon ein, »Sie werden kaum jemanden finden, der ein böses Wort über ihn sagt. Er hat den beiden Kids damals das Leben gerettet, das können Sie nicht bestreiten. Und er engagiert sich für karitative Arbeit. Opfert unheilbar Kranken eine Menge Zeit.«
Adams verzog höhnisch das Gesicht. »Hab ich doch gesagt. Er guckt gern zu, wenn andere leiden. Vielleicht gibt’s ihm einen Kick, an einem Krankenbett zu sitzen und zu wissen, daß der arme Teufel bald abkratzt, während er weiterhin munter wie Lord Muck durch die Gegend stolziert. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Der gute Kumpel Jack ist das letzte Stück Dreck. Weswegen sind Sie eigentlich hinter ihm her?«
Simon schmunzelte. »Ich hab nicht gesagt, daß wir hinter ihm her sind.«
»Und weshalb fahren Sie dann Gott weiß wie weit, um was über ihn zu erfahren?«
Simon zwinkerte ihm zu. »Nun, Sie wissen, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher