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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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reine Berechnung gewesen sein, aber irgendwie war sie von Jacko eingenommen. Anfangs wegen seiner stoischen Haltung, dann aber merkte sie, daß sie sich in seiner Gesellschaft unerwartet wohl fühlte. Was ihn anging, so mußte er sich zumindest eingestehen, daß sie recht unterhaltsam und gescheit zu plaudern wußte.
    Beim fünften Besuch stellte Jacko ihr die Frage, auf die sie insgeheim wartete. »Warum kommen Sie mich regelmäßig besuchen?«
    Micky zuckte die Achseln. »Ich mag Sie.«
    Jackos Augenbrauen hoben und senkten sich, als wolle er sagen: Das kann nicht alles sein.
    Micky seufzte, wich seinem erwartungsvollen Blick aber wohlweislich nicht aus. »Ich bin mit einer lebhaften Vorstellungskraft gestraft. Und ich habe Verständnis für den Drang nach Erfolg. Ich hab mir die Hacken abgelaufen, um dort anzukommen, wo ich jetzt bin. Das war für mich das Wichtigste im Leben. Ich kann mir gut vorstellen, wie mir zumute wäre, wenn ich ohne eigenes Verschulden plötzlich aus der Bahn geworfen würde. Also würde ich sagen: Ich kann mich gut in Ihre Lage versetzen.«
    »Im Klartext?« fragte er mit unbewegter Miene.
    »Sagen wir: Mitgefühl ohne Mitleid.«
    Er nickte zufrieden. »Die Schwester hat gedacht, Sie schwärmen für mich. Ich wußte, daß sie unrecht hat.«
    Es lief besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. »Rauben Sie ihr nicht die Illusionen. Die Leute mißtrauen jeder Motivation, die sie nicht verstehen können.«
    »Sie haben ja so recht.« Und da lag plötzlich doch Verbitterung in seiner Stimme. »Aber etwas verstehen heißt nicht automatisch, es auch akzeptieren.«
    Sie wußte, worauf er anspielte. Ein Thema, für das es jetzt noch zu früh war. Als sie sich verabschiedete, achtete sie darauf, daß die Schwester den liebevollen Wangenkuß mitbekam. Als Journalistin wußte sie, daß sich im Krankenhaus Klatsch schneller ausbreitet als die Legionärskrankheit. Gut so – je unverdächtiger die Quelle, aus der etwas durchsickerte, desto glaubhafter war die Story.
    Als sie ihn eine Woche später wieder besuchte, wirkte Jacko sehr in sich gekehrt. Irgend etwas mußte ihn aufgewühlt haben – nur, was? Schließlich, als die Unterhaltung immer mehr zum Monolog verkümmerte, sprach sie ihn darauf an. »Wollen Sie’s mir sagen oder abwarten, bis Ihr Blutdruck so ansteigt, daß Sie einen Schlaganfall kriegen?«
    Zum ersten Mal an diesem Nachmittag sah er ihr in die Augen. Er war so wütend, daß er kaum sprechen konnte. Sie merkte, wie mühsam er um Worte rang. Schließlich murmelte er: »Meine sogenannte Verlobte – dieses Miststück.«
    »Jillie?« Micky hoffte, daß sie sich an den richtigen Namen erinnerte. Sie waren sich einmal kurz begegnet, in Mickys Erinnerung war vage das Bild einer schlanken, dunkelhaarigen Schönheit mit sehr erotischer Ausstrahlung gespeichert.
    »Was ist denn passiert, Jacko?«
    Er schloß die Augen und atmete schwer. »Die Schlampe hat mir den Laufpaß gegeben«, stieß er wutschnaubend aus.
    »Nein! Oh, Jacko …« Sie faßte ihn sanft am Handgelenk und spürte an seinem erhöhten Pulsschlag, wie aufgebracht er war.
    »Sagt einfach, sie wird nicht damit fertig.« Sein zynisches Lachen hörte sich für Micky wie ein Hilfeschrei an. »Sie kann’s nicht, basta. Was glaubt die eigentlich, wie ich damit fertig werde, verdammt noch mal?«
    »Es tut mir so leid«, murmelte Micky hilflos.
    »Ich hab’s ihr sofort angesehen, als sie mich nach dem Unfall das erste Mal besucht hat. Zwei Tage hat sie gebraucht, bis sie den Arsch hierherbewegt hat. Und dann stand’s ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hat Abstand gehalten. Sich nicht in meine Nähe gewagt. Ich war plötzlich abstoßend für sie.«
    Micky wählte ihre Worte mit Bedacht. »Traurig, daß Jillie so oberflächlich ist und so wenig Verständnis für Sie hat. Aber es ist besser für Sie, das jetzt zu erkennen als irgendwann später. Die Frage, auf die Sie eine Antwort finden müssen, ist, wie Sie darauf reagieren.«
    Er sah sie verblüfft an. »Was?«
    »Das Ganze wird nicht lange ein Geheimnis bleiben. Wenn die Schwester etwas gemerkt hat – und das hat sie sicher –, werden spätestens zur Teezeit die Rotationsmaschinen angehalten, damit sie die Schlagzeile noch auf der ersten Seite unterbringen können. Wenn Sie wollen, können Sie auf das Mitleid der ganzen Nation setzen. Jeder anständige Brite wird Jillie verachten. Aber es gibt auch eine Alternative: Rache nehmen und gewinnen.«
    Jacko starrte sie mit offenem

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