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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Mund an. Dann sagte er in einem Ton, der empfindsameren Gemütern als Micky das Fürchten gelehrt hätte: »Weiter.«
    »Nun, das hängt ganz von Ihnen ab. Sollen die Leute in Ihnen das Opfer oder den Sieger sehen?«
    »Raten Sie mal«, fauchte er ungehalten.
     
    Irgendwie war es zur Gewohnheit geworden, daß Shaz, Kay, Simon und Leon Samstag abends gemeinsam ausgingen. Die beiden anderen aus ihrer Gruppe zogen es vor, am Wochenende in die heimischen Jagdgründe zurückzukehren, statt hier in Seaford auf die Pirsch zu gehen. Der Vorschlag stammte von Simon. Shaz war sich zuerst nicht sicher gewesen, ob sie überhaupt einen so engen Kontakt mit ihren Kollegen wollte, aber Simon ließ nicht locker, und da Commander Bishop ihr neulich angedeutet hatte, daß in der Gruppe kooperatives Verhalten erwünscht sei, ließ Shaz sich breitschlagen, und siehe da, sie hatte den gemeinsamen Abend zu ihrer Überraschung sogar sehr genossen, und nicht nur wegen des Essens.
    Wie üblich hatte Leon seinen Teller als erster leer gegessen. »Ich sag ja nur, daß hier oben alles ziemlich primitiv ist.« Er ließ, seit sie das Restaurant betreten hatten, kein gutes Haar am hügeligen Hinterland von Yorkshire.
    »Ich weiß nicht«, widersprach Shaz, »man kann hier recht gut essen, das Wohnen ist so billig, daß ich mir mehr als einen Kaninchenstall leisten kann, und wenn ich einkaufen will, geh ich zu Fuß in die Innenstadt, statt mich eine Stunde in der U-Bahn durchrütteln zu lassen.«
    »Und die Landschaft«, fing Kay zu schwärmen an. »Denk mal, wie schnell du hier mitten im Grünen bist.«
    »Sag ich ja«, trumpfte Leon auf, »eine zurückgebliebene Ecke. Mehr als Natur haben die hier nicht zu bieten. Und soll ich euch mal was sagen? Ich bin hier in den drei Wochen schon dreimal auf dem Heimweg angehalten worden. Sogar die Jungs bei der Met haben inzwischen kapiert, daß nicht jeder Schwarze, der ein einigermaßen ansehnliches Auto unterm Hintern hat, Drogendealer sein muß.« Die Sache schien ihm tatsächlich im Magen zu liegen. Er sah ärgerlich aus, als er sich eine Zigarette anzündete.
    Shaz sagte grinsend: »Die haben dich nicht angehalten, weil du schwarz bist.«
    »Nein?« Leon blies ihr den Rauch ins Gesicht.
    »Die haben dich gestoppt, weil du im Besitz einer gemeingefährlichen Waffe warst.«
    »Was meinst du damit?«
    »Deinen Anzug, Babe. Noch ’ne Spur schärfer, und du würdest dich beim Anziehen schneiden.«
    Als das Gelächter sich gelegt hatte, wagte sich Kay ein wenig aus der Deckung. »Apropos scharf – unser Boß ist eigentlich ganz okay, oder?«
    »Tony Hill? Kluger Junge«, bestätigte Simon. »Wär nur schön, wenn er mehr über sich rauslassen würde. Aber bei ihm steht man einfach vor ’ner Mauer und kann nicht dahinterschauen.«
    »Ich sag dir, was dahintersteckt.« Shaz war auf einmal sehr ernst. »Bradfield. Der Schwulenkiller.«
    »Der, der ihn zerschnippeln wollte?« fragte Leon.
    Shaz nickte.
    »Das wird alles irgendwie unter der Decke gehalten, stimmt’s?« Kay sah Shaz an wie ein Kaninchen – niedlich, aber gierig auf jeden Happen. »In den Zeitungen haben sie damals auch nur alles Mögliche angedeutet, aber nichts Genaueres gebracht.«
    Shaz starrte auf ihr halbes Hähnchen und bedauerte, daß sie sich nicht für etwas Vegetarisches entschieden hatte. »Wenn ihr mehr wissen wollt, müßt ihr ins Internet gehen. Da steht alles drin, brutal und ungeschminkt. Nur, das sag ich euch im voraus: Wenn ihr die ganze Story kennt und euch nicht fragt, ob’s womöglich doch ein Fehler war, sich zu unserer Gruppe zu melden, habt ihr ’ne Stange mehr Mumm als ich.«
    Betroffenes Schweigen. Dann beugte sich Simon vor und fragte zuversichtlich: »Du erzählst’s uns, nicht wahr, Shaz?«
     
    Er war eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit da, weil er ahnte, daß sie ebenfalls früher kam. Das war bei allen so gewesen, da sie sich einredeten, er sei Rumpelstilzchen, der Bursche, der aus dem trockenen Stroh ihres Lebens pures Gold spinnen werde.
    Donna Doyle war da keine Ausnahme. Als ihre Silhouette sich gegen das schwache Licht in der Tiefgarage abgzeichnete, begann in seinem Schädel sofort wieder der Leierkasten zu dudeln:
Nick und Bell klettern schnell einen steilen Fels bergan …
    Er schüttelte sich wie einer, der eben aus dem Wasser aufgetaucht ist und die Ohren frei bekommen will. Offensichtlich beeindruckt von den vielen teuren Wagen, bewegte sie sich langsam auf ihn zu. Es sah spaßig aus,

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