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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hatten. Einer der Männer schien skeptisch zu sein. Tony versuchte, ihm mit einem vereinfachten Beispiel auf die Sprünge zu helfen.
    »Nehmen wir an, es gibt einen Einbrecher, der sich auf Videos spezialisiert hat. Der Kerl ist nur auf Videos aus, weil er dafür einen gut zahlenden Hehler an der Hand hat. Also sucht er sich Erdgeschoßwohnungen und bricht über die Terrasse ein. Aber dann verteilt die Polizei Flugblätter, in denen vor dem Videofan gewarnt und seine Vorgehensweise beschrieben wird. Nun verlegt er sich auf ältere Reihenhäuser, in die er durch eines der Seitenfenster einsteigt. Er hat seinen MO verändert, aber den Videotick hat er immer noch. Der ist seine Handschrift.«
    Die Miene des Officers hellte sich auf, jetzt hatte er’s begriffen. Tony nickte zufrieden und fing an, sechs Stapel Papier zu verteilen. »Wir müssen also beim Verdacht, daß wir’s mit einem Serientäter zu tun haben, an beide Elemente denken. Nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch Abweichungen in der Vorgehensweise können ein Indiz für einen Serientäter sein. Erfahrene Profiler vertreten die These, daß in den letzten zehn Jahren in Großbritannien gut und gern ein halbes Dutzend Serienmorde unentdeckt geblieben ist. Der eine oder andere Täter könnte bis zu zehn Opfern auf dem Gewissen haben. Dank des guten Straßennetzes und der notorischen Abneigung der Polizeibehörden gegen den Austausch von Informationen hat sich kein Mensch die Mühe gemacht, nach wirklich wichtigen Übereinstimmungen zu suchen. Das sollten wir uns für unsere künftige Arbeit merken.«
    Betroffene Gesichter, gewölbte Augenbrauen, leises Gemurmel, bis Tony anfing, die Papierstapel zu verteilen.
    »Wir machen also fürs erste eine Art Trockenlauf. Es geht um dreißig vermißte Teenager. Alles echte Fälle, die im Lauf der letzten sieben Jahre bekannt geworden sind. Alle in verschiedenen Landesteilen. Sie haben eine Woche Zeit, die Fälle in Ihrer Freizeit zu untersuchen. Dann sagen Sie mir, ob Sie genug Anhaltspunkte für den Verdacht sehen, daß ein Serientäter am Werk war. Ich möchte betonen, daß es sich nur um eine Übungsaufgabe handelt. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß eines der Kids entführt oder ermordet wurde. Falls inzwischen einige von ihnen tot sind, hat das vermutlich eher etwas mit den Lebensbedingungen auf der Straße zu tun als mit einem Verbrechen. Die einzige Gemeinsamkeit ist, daß alle aus einem guten Elternhaus stammten. Keine Kids, die von daheim weglaufen. Die Eltern sagen übereinstimmend aus, daß sie sich zu Hause wohl gefühlt haben. Kein ernster Streit, keine nennenswerten Probleme in der Schule. Der eine oder andere hatte zwar mal Ärger mit der Polizei oder dem Sozialdienst, aber das lag in allen Fällen lange zurück. Keines der Kids hat wieder von sich hören lassen. Daher dürfte die naheliegendste Vermutung sein, daß sie in London untergetaucht sind. Das alte Lied: die Verlockung der Großstadt.«
    Tony kehrte zu seinem Platz zurück, setzte sich und sah die Officer ernst an. »Es ist natürlich auch ein anderes, düsteres Hintergrundszenario denkbar. Ihre Aufgabe besteht darin, herauszufinden, ob das nur eine Möglichkeit oder eine Wahrscheinlichkeit ist.«
    Shaz verspürte einen erregenden Kitzel. Es fing wie ein fast unmerkliches Zwicken im Bauch an, und dann brannte es wie Feuer in ihr. Ihre erste Chance. Wenn die Kids Opfer eines unentdeckten Serienmörders geworden waren, würde sie das rausfinden und zu ihrer Advokatin und Rächerin werden.
     
    Kriminelle werden oft zufällig erwischt, das wußte er aus einer Fernsehreportage. Dennis Nilsen, der fünfzehn junge Obdachlose umgebracht hatte, war über große Stücke menschlichen Fleisches gestolpert, die seine Abflußrohre verstopften. Peter Sutcliffe, der Yorkshire Ripper, auf dessen Konto dreizehn Frauen gingen, war aufgefallen, als er einen Satz Nummernschilder klaute, die er an seinem Wagen anschrauben wollte. Ted Bundy, der nekrophile Mörder von sage und schreibe vierzig jungen Frauen, war nur deshalb hinter Gittern gelandet, weil er nachts ohne Licht ein Polizeifahrzeug überholt hatte. Solche Geschichten schreckten ihn nicht, sie lösten höchstens – zusätzlich zu dem Adrenalinkick, den er sich bei seinen Feuerspielchen holte – ein wohliges Schaudern bei ihm aus. Seine Motive mochten sich von denen eines Mörders unterscheiden, aber sein Risiko war ebenso groß.
    Irgendwann kurz nach ein Uhr morgens parkte er sein Auto an

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