Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
Feuersturm hoch.
    Dieser Augenblick war es wert, daß er sich die Polsterwerkstatt so lange aufgespart hatte. Er wußte, daß es ein wunderschönes Feuerchen wurde. Der verdiente Lohn für seine Mühe.
     
    Betsy sah auf die Uhr. Zehn Minuten gab sie ihnen noch, ehe sie ins Eßzimmer platzte, um Micky an eine fiktive Verabredung zu erinnern und so von Suzy Josephs oberflächlichem Geschwätz zu erlösen. Wenn Jacko weiter Süßholz raspeln wollte, war das seine Sache. Die Dreharbeiten für die neueste Folge von
Besuch von Vance
waren abgeschlossen, er würde also ohnehin nachmittags aufbrechen, um in einem Spezialkrankenhaus sein karitatives Image aufzupolieren und sich übers Wochenende als Tröster und Aushilfspfleger der armen Patienten aufzuspielen. Was freilich Micky und ihr zu zwei Tagen trauter Zweisamkeit verhalf.
    Im Geiste hörte sie Jacko schwadronieren. Bestimmt erzählte er wieder in dramatischem Tonfall, wie er im Bett gelegen hatte, mit dem Ende aller Träume konfrontiert, weil sein Leben jeden Sinn verloren hatte. »Und da, in der Stunde meiner tiefsten Depression …« Sie glaubte, seine weitausholende Geste zu sehen. »… hatte ich auf einmal eine Vision. Eine Vision von unübertrefflicher Lieblichkeit. Zum ersten Mal seit dem Unfall habe ich etwas gesehen, das mir neuen Lebensmut geben konnte.«
    Betsy kannte seine Version in- und auswendig. Nur, die hatte wenig Ähnlichkeit mit der Wahrheit. Sie erinnerte sich noch gut an Mickys erste Begegnung mit Jacko. Da war’s nicht um Romantik gegangen, sondern schlichtweg um Jackos erstes Fernsehinterview nach dem Unfall. Betsy hatte es sich zu Hause angesehen. Jedesmal ein erregender Augenblick für sie, ihre Geliebte im Fernsehen zu sehen und zu wissen, daß in diesem Moment die Augen von Millionen Zuschauern auf ihr ruhten.
    Micky schwebte, als sie sich später zu Hause das Video angesehen hatte, im siebten Himmel. Aber dann läutete das Telefon, Betsy nahm ab. Ein Zeitungsreporter teilte ihr kurz und bündig mit, er wisse, daß sie eine spezielle Freundin von Micky sei, und er wisse auch, wie speziell. Natürlich leugnete Betsy alles entschieden ab, Micky nannte den Anrufer sogar einen dummdreisten Wichtigtuer, aber beide Frauen wußten, daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie von den Skandalblättern in übelster Weise bloßgestellt wurden.
    Und dann begann Micky, ihre Abwehrfestung auszubauen. Geduldig, umsichtig und genauso rücksichtslos, wie sie ihre Karriere geplant hatte. Jeden Abend wurden in zwei verschiedenen Schlafzimmern die Vorhänge zugezogen. Das Licht ließen sie eine Weile brennen, ehe sie es – zu unterschiedlichen Zeiten natürlich – ausmachten. Auch morgens achteten sie darauf, alles zu vermeiden, was den Verdacht nähren konnte, sie hätten im selben Bett geschlafen. Intimitäten gab es zwischen ihnen nur bei geschlossenen Vorhängen. Und wenn es sich nicht vermeiden ließ, daß sie das Haus zur gleichen Zeit verließen, trennten sie sich am Fuß der Treppe – nur mit einem Winken, nicht etwa mit einer Umarmung.
    Andere hätten sich nun vielleicht sicher gefühlt in dem Glauben, die Pressemeute endgültig abgeschüttelt zu haben. Aber Micky wollte es nicht bei defensiven Maßnahmen belassen. Sie wußte, wenn die Skandalpresse eine Story wollte, bekam sie sie auch. Als wirksamster Schachzug bot sich an, den Pressehaien die Story freiwillig zu liefern. Aber eine viel aufregendere als die, die sie gewittert hatten.
    Am Vormittag nach dem ominösen Anruf gab es in Mickys Terminkalender zufällig eine kleine Lücke. Sie fuhr ins Krankenhaus, becircte mit ihrem Charme die Schwestern und spazierte – als Geschenk ein kleines Radio samt Kopfhörern unter dem Arm – in Jackos Krankenzimmer. Er war trotz der starken Schmerzmittel, die er immer noch nehmen mußte, hellwach und offensichtlich dankbar für alles, was ihm die Langeweile vertreiben und ihn vor dem Grübeln bewahren konnte. Sie verbrachte eine Stunde bei ihm, redete über dies und das, nur nicht über seinen Unfall und die Amputation, und dann verabschiedete sie sich mit einem flüchtigen Kuß auf die Stirn. Es war nicht die erwartete Tortur gewesen, sie empfand zu ihrer Überraschung sogar Sympathie für Jacko, zumal er offenbar nicht der arrogante Macho war, für den sie ihn vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen mit Sportlern gehalten hatte. Und was sie noch mehr überraschte: er badete nicht in Selbstmitleid. Der Krankenbesuch mochte ursprünglich

Weitere Kostenlose Bücher