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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Wirkung.

C arol wischte mit einem Stück Brot die letzten Spuren des Hähnchens jalfrezi vom Teller und genoß andächtig den letzten Bissen. »Das war teuflisch gut«, schwärmte sie.
    »Es ist noch mehr da.« Maggie Brandon schob ihr die Kasserolle hin.
    »In mir ist kein Eckchen mehr frei«, stöhnte Carol.
    »Dann nehmen Sie eben was mit nach Hause«, sagte Maggie. »Ich weiß, wie lange Sie abends arbeiten. Zum Kochen bleibt Ihnen da nicht viel Zeit. Als John damals DCI geworden ist, habe ich mit dem Gedanken gespielt, den Chief Constable zu fragen, ob wir in den Arrestzellen in der Scargill Street einziehen dürften. Dann hätten die Kids ihren Vater wenigstens mal gesehen.«
    John Brandon, Chief Constable der Polizei von East Yorkshire, sagte kopfschüttelnd: »Meine liebe Frau übertreibt mal wieder schrecklich.«
    Carol musterte ihn verstohlen. An Brandon verlief alles vertikal. Senkrecht verlaufende Linien in den hohlen Wangen, sogar zwischen den Augenbrauen gab es eine senkrechte Furche. Von der Nase gar nicht erst zu reden. Und das eisgraue Haar war selbstverständlich wie mit dem Lineal gescheitelt.
    Sie erinnerte sich an ihre Pflicht, als Gast artig Konversation zu treiben, brach die heimliche Inspektion ihres Chefs ab und erkundigte sich bei Maggie: »Haben Sie sich im neuen Zuhause eingelebt?«
    »Nun, es ist eben eine Dienstwohnung.« Maggies Blick streifte die einfallslos weiß gestrichenen Wände. »Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich daran. Wissen Sie, wir haben das Haus in Bradfield nur vermietet. In fünf Jahren hat John seine dreißig Jahre rum, und dann ziehen wir dorthin zurück. Dort sind wir zu Hause, dort wohnen alle unsere Freunde. Und da die Kids dann aus der Schule raus sind, brauchen wir auf sie keine Rücksicht mehr zu nehmen.«
    »Wenn ich Maggie so reden höre«, brummelte Brandon, »scheint sie sich wie eine viktorianische Missionarsfrau bei den Hottentotten zu fühlen.«
    Maggie fing an, den Tisch abzuräumen. »Du wirst wenigstens zugeben, daß East Yorkshire sich ein bißchen von Bradfield unterscheidet. Jede Menge Landschaft – nur, bis zum nächsten Theater fährt man mit dem Auto eine halbe Stunde. Die Oper kannst du sowieso vergessen. Und ich hab bisher nur eine einzige Buchhandlung entdeckt, bei der nicht nur die gängigen Bestseller in den Regalen stehen.«
    »Trotzdem«, wandte Carol ein, »finden Sie es nicht besser, daß die Kinder in einer Gegend aufwachsen, in die der lange Arm der Drogenbarone nicht reicht?«
    Maggie schüttelte den Kopf. »Die Kids leben hier wie auf einer künstlichen Insel. In Bradfield kamen sie mit Kids aus aller Herren Länder in Kontakt – asiatischen, afro-karibischen, sogar ein vietnamesischer Junge war dabei. Hier kreist alles um den eigenen Nabel. Und den Kids wird nichts geboten. Da treiben sie sich eben auf der Straße herum. Ehrlich, da hätte ich lieber das Risiko mit den Drogendealern in Kauf genommen. Ich finde, die Vorzüge des ländlichen Lebens werden überschätzt.« Sie verschwand mit dem benutzten Geschirr in der Küche.
    »Tut mir leid«, sagte Carol, »ich wußte nicht, daß ich einen von Maggies wunden Punkten berühre.«
    Brandon zuckte die Achseln. »Sie kennen ja Maggie. Geben Sie ihr ein paar Monate Zeit, Sie werden sehen, dann fühlt sie sich pudelwohl hier. Den Kids geht’s jetzt schon so. Wie sieht’s denn bei Ihnen aus? Sind Sie mit dem Cottage zufrieden?«
    »Ich liebe es. Das Ehepaar, von dem ich es gekauft habe, hat es fantastisch restauriert.«
    »Dann wundert’s mich, daß sie’s verkauft haben.«
    »Scheidung«, sagte Carol lakonisch.
    Maggie kam mit der Kaffeekanne, schenkte Carol und John eine Tasse ein und sagte: »Ich laß euch beide, wenn ihr’s mir nicht übelnehmt, jetzt allein. Ich weiß, daß ihr’s kaum noch abwarten könnt, über dienstlichen Kram zu reden, und ich habe Karen versprochen, sie nach dem Kino in Seaford abzuholen.« Sie gab John einen Abschiedskuß auf die Wange. »Viel Spaß noch.«
    Carol wurde das Gefühl nicht los, daß hinter Maggies ein wenig abruptem Aufbruch ein abgekartetes Spiel steckte, trank einen Schluck Kaffee und wartete gespannt, was John wohl auf dem Herzen hätte. Und da kam es auch schon. »Also, wie kommen Sie mit Ihren neuen Mitarbeitern zurecht?«
    »Nun, sie sind offensichtlich noch auf der Hut. Da wird Ihnen eine Frau vor die Nase gesetzt, was in East Yorkshire ungefähr gleichbedeutend mit einer Mischung aus Schlange und Spürhund zu sein scheint, und

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