Schlussblende
zusätzlich mutmaßen sie wohl, daß der Chief Constable sie mitgebracht hat, damit sie hier für ihn den Spitzel spielt und die Peitsche schwingt.«
»Ich habe befürchtet, daß Sie das so empfinden«, sagte Brandon. »Andererseits müßte Ihnen das klar gewesen sein, bevor Sie den Job übernommen haben.«
Carol wiegte den Kopf hin und her. »Eine Überraschung war’s nicht. Ich hatte es mir sogar schlimmer vorgestellt. Vielleicht zeigen sie mir noch ihre Schokoladenseite, aber ich habe den Eindruck, daß es eine gute Crew ist. Sie sind sich bisher wie auf dem Abstellgleis vorgekommen, bevor die Dienststelle in Seaford eingerichtet wurde, und da hat sich vielleicht ein gewisser Schlendrian eingeschlichen. Und bei dem einen oder anderen habe ich den Eindruck, daß sie etwas über ihre Verhältnisse leben, aber daß das was mit Korruption zu tun hat, glaube ich nicht.«
Brandon nickte. Das hörte sich gut an. Er traute ihr zu, daß es nicht lange dauerte, bis sie fest im Sattel saß und ihr Team auf sich eingeschworen hatte. »Sonst irgendwas, was Ihnen Kopfschmerzen macht?«
Carol runzelte die Stirn. Was sie bisher an Indizien aufzählen konnte, war noch recht dürftig, aber sie wollte es trotzdem riskieren. »Da wäre noch was. Vorausgesetzt, daß das ein informelles Gespräch ist.«
»Ist es«, sagte Brandon.
Carol berichtete ihm von den nächtlichen Bränden, ihrem Verdacht, daß es sich zumindest in einigen Fällen um Brandstiftung handeln könnte, und ihrem Gespräch mit dem Feuerwehrchef, der offensichtlich diesen Verdacht teilte.
»Ein Serienbrandstifter?« fragte Brandon leise.
»Ich kann mir kaum etwas anderes vorstellen.«
»Und was wollen Sie unternehmen?«
Carol grinste. »Ich will den Burschen schnappen.«
Brandon lächelte. »Was sonst? Haben Sie konkrete Pläne?«
»Nun, ich habe bereits ein Team zusammengestellt, das in allen verdächtigen Fällen nochmals recherchiert. Und ich will ein Täterprofil erstellen.«
Brandon hob die Augenbrauen. »Einen Profiler hinzuziehen?«
»Nein«, sagte Carol entschieden, »bei der dürftigen Beweislage wäre das ein übertriebener Aufwand. Im übrigen glaube ich, daß ich damit ganz gut selber klarkommen werde.«
»Sie sind keine Psychologin«, gab Brandon zu bedenken.
»Nein, aber ich hab letztes Jahr mit Tony Hill zusammengearbeitet und dabei viel gelernt und seither alles über Profiling gelesen, was ich finden konnte.«
Brandon sah ihr fest in die Augen. »Sie hätten sich zu seiner neuen Gruppe melden sollen.«
Carol spürte ein Brennen auf ihren Wangen. Falls sie rot geworden war, konnte sie nur hoffen, daß Brandon den Kaffee dafür verantwortlich machte. »Ich glaube, Officer in meinem Rang waren nicht gefragt. Abgesehen von Commander Bishop ist niemand mit einem höheren Dienstgrad als Sergeant dabei. Außerdem liegt mir die konkrete Arbeit vor Ort mehr. Ich möchte den Finger am Puls haben.«
Brandon ließ nicht so schnell locker. »Die neue Gruppe wird in ein paar Wochen alle Hände voll zu tun haben. Vermutlich wäre Hill froh gewesen, seine Leute bei einem Fall wie diesem ein paar praktische Erfahrungen sammeln zu lassen.«
»Möglich«, sagte Carol, »aber es ist mein Fall, und ich will ihn nicht aus der Hand geben.«
Brandon nickte. Es gefiel ihm, daß Carol ihre Arbeit in East Yorkshire bereits als eine Art persönlicher Domäne betrachtete. »Einverstanden. Aber Sie halten mich auf dem laufenden?«
»Natürlich«, sagte Carol und redete sich ein, nur deshalb so erleichtert zu sein, weil sie ihren Kopf durchgesetzt hatte und nun die Lorbeeren ausschließlich für ihre Leute und sich in Anspruch nehmen konnte. Vorausgesetzt, sie lösten den Fall. Aber insgeheim wußte sie, daß sie sich selbst etwas vormachte.
In dem Raum zu übernachten, den der Makler das Gästezimmer genannt hatte, wäre für die meisten ihrer Bekannten eine Zumutung gewesen, erst recht dann, wenn sie zu den Leuten gehörten, die vor dem Einnicken unbedingt noch ein paar Seiten lesen wollen. Im Gegensatz zu den klassischen oder modernen Romanen, die den Bücherschrank im Wohnzimmer füllten, enthielt das Regal in diesem Raum – den Shaz übrigens nicht als Gäste-, sondern als Arbeitszimmer nutzte – das, was sie scherzhaft ihre Schmuddelecke nannte: zum Teil eine wahre Horrorlektüre, auch wenn manche Autoren krampfhaft versuchten, ihren Machwerken einen pseudowissenschaftlichen Anstrich zu geben.
Bei den Büchern im untersten Fach war es ihr
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