Schlussblende
blätterte in ihrem Ordner und zog das Blatt mit den Fotokopien der sieben Fotos heraus. »Sie haben sich jeweils wenige Tage vor dem Verschwinden dieser Mädchen im Zusammenhang mit einer Wohltätigkeitsveranstaltung in deren Wohnort aufgehalten. Nach dem Stand der Ermittlungen ist davon auszugehen, daß die Mädchen diese Veranstaltung besucht haben.«
Er spürte, wie ihm das Blut in den Hals schoß, und es machte ihn wütend, daß er nichts dagegen tun konnte. Immerhin schaffte er es wenigstens, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. »Zu meinen Abendveranstaltungen kommen Hunderte von Menschen. Da liegt es, statistisch gesehen, nahe, daß im Laufe der Zeit einer von Hunderten verschwindet.« Aber auf einmal klang seine Stimme etwas belegt.
Shaz sah Vance mit vorgerecktem Kinn an, er sollte ruhig merken, daß ihr die Veränderung in seinem Tonfall durchaus aufgefallen war. Plötzlich ahnte sie, wie einem Jagdhund zumute ist, wenn er die Witterung eines Hasen aufgenommen hat. »Natürlich, ich weiß. Ich bedauere es sehr, daß wir Sie überhaupt damit behelligen müssen. Es ist nur so, daß mein Chef glaubt, es könnte eine vage Möglichkeit bestehen, daß jemand aus Ihrem Team etwas mit dem Verschwinden der Teenager zu tun hat. Oder jemand, der Ihnen übel mitspielen will.«
»Sie meinen, es gibt irgendeinen Lüstling, der es auf meine Fans abgesehen hat?« Diesmal fiel es ihm schwerer, ungläubiges Staunen vorzutäuschen. Daß sie auf einmal einen aus seinem Team oder aus dem Troß derer, die ihm von Auftritt zu Auftritt nachreisten, aus dem Hut zauberte und das auch noch als Idee ihres Vorgesetzten ausgab, war lächerlich. Selbst ein Schwachsinniger hätte gemerkt, daß sie nicht an einen Irren oder einen aus seiner Begleitmannschaft glaubte. Sie meinte ihn. Er sah es an dem starren Blick, mit dem sie sein Mienenspiel verfolgte. Der feine Schweißfilm auf seiner Stirn war ihr längst aufgefallen. O nein, sie war nicht von ihrem Chef hergeschickt worden. Sie war ein einsamer Wolf, genau wie er, und ein Wolf wittert den anderen.
Shaz nickte. »Das könnte sein. Die Psychologen nennen es eine Ersatzhandlung. Wie bei John Hickley. Erinnern Sie sich? Er hat auf Reagan geschossen, weil er Jodie Foster auf sich aufmerksam machen wollte.«
Ihr Ton war höflich-verbindlich, sie sprach jetzt etwas lauter, da sie nervös wurde. Es ärgerte ihn, daß sie allen Ernstes glaubte, er werde das nicht merken. Er stieß sich vom Kaminsims ab und fing an, auf dem handgeknüpften seidenen Bokhara auf und ab zu wandern. Auf das Muster aus grauen und weißen Fäden zu starren wirkte beruhigend auf ihn. Außerdem enthob es ihn der Notwendigkeit, ihr in die irritierenden Augen zu sehen. »Das ist absurd. Geradezu lachhaft, wenn es nicht um eine so erschreckende Vorstellung ginge. Aber ich habe immer noch keine Ahnung, was das mit mir zu tun haben soll.«
»Das ist sehr einfach, Sir.«
Er haßte ihren besänftigenden, herablassenden Ton, blieb abrupt stehen und fragte gereizt: »Ach ja?«
»Ich möchte lediglich, daß Sie einen Blick auf diese Fotos werfen und mir sagen, ob Sie bei irgendeiner Gelegenheit eines der Mädchen gesehen haben. Es könnte gut sein, daß sie sich Ihnen gegenüber besonders aufdringlich benommen haben und daß jemand aus Ihrem Arbeitsstab oder aus Ihrer Fangemeinde sie dafür bestrafen wollte. Aber vielleicht haben Sie auch nie eine von ihnen gesehen. Das Ganze dauert nur ein paar Minuten, und schon packe ich ein und bin weg.« Shaz breitete die sieben Fotos auf dem Fußschemel ihres Lehnstuhls aus.
Vance kam näher und sah sich die Fotos an. Keine vollständige Sammlung seiner Opfer, aber sieben hatte sie immerhin identifiziert. Jedes Lächeln auf den Kopien der sieben Fotos war ein Lächeln, das er ausgelöscht hatte.
Er rang sich ein gekünsteltes Lachen ab. »Sieben von Tausenden Gesichtern? Bedaure, DC Bowman, Sie verschwenden Ihre Zeit. Ich habe nie eine von denen gesehen.«
»Sehen Sie noch mal hin«, sagte Shaz, »sind Sie absolut sicher?«
Jetzt lag etwas in ihrer Stimme, was vorher nicht dagewesen war, eine gewisse Schärfe. Er wunderte sich, wie blaß das junge Fleisch, das er gequält hatte, auf den Fotokopien aussah. Dann riß er sich von den Gesichtern los und zwang sich, in Shaz’ unbeugsame Augen zu blicken. Sie wußte es. Vielleicht fehlten ihr noch die Beweise, aber sie wußte es, das sah er ihr an. Und sie würde nicht lockerlassen, bis sie ihn vernichtet hatte. Nur, so einfach war
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