Schlussblende
und ihm sagen, daß wir schon weg waren, als sie gekommen ist. Das ist die einfachste Lösung.«
Micky schob ihren Sessel heftig zurück, sprang auf und ging erregt auf und ab. »Und wenn sie nun anfangen, die Nachbarn zu befragen, und einer alten Klatschtante fällt plötzlich ein, daß sie DC Bowman mit uns an der Haustür gesehen hat? Und außerdem war ich’s, die mit ihr telefoniert und den Termin für sie vereinbart hat. Was ist, wenn das in ihrem Notizbuch steht? Oder wenn sie das Telefonat gar auf Band aufgenommen hat? Wirklich, ich verstehe nicht, wie du auf die Idee kommst, wir könnten das einfach totschweigen.«
Betsy rappelte sich hoch. »Wenn du mal einen Moment mit deinem dramatischen Getue aufhörst, wirst du begreifen, daß mein Vorschlag sehr vernünftig ist«, sagte sie ärgerlich.
Micky griff zum Telefonhörer. »Ich rufe Jacko an.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Er wird noch nicht wach sein, trotzdem werde ich ihm die Neuigkeit schonender beibringen als die Boulevardpresse.«
»Na gut. Vielleicht kann er dich zur Vernunft bringen«, sagte Betsy sarkastisch.
Micky tippte Jackos Privatnummer ein. »Ich sag ihm, daß ich vorhabe, die Polizei anzurufen … Hallo, Jacko? Ich bin’s. Hör zu, ich habe schreckliche Neuigkeiten für dich …«
Jacko legte den Kopf in die Kissen zurück und dachte nach. Er hatte selbst mit dem Gedanken gespielt, die Polizei anzurufen. Einerseits wäre es geradezu ein Beweis seiner Unschuld gewesen, weil außer seiner Frau und Betsy niemand wissen konnte, daß die Bowman hiergewesen war. Andererseits konnte ihn ein Übermaß an Beflissenheit, die Ermittlungen in einem Mordfall unaufgefordert zu unterstützen, verdächtig erscheinen lassen. Wie in jedem Fachbuch nachzulesen war, versuchten psychopathische Mörder häufig, sich der Polizei als Zeuge anzudienen.
Es war besser, den Anruf Micky zu überlassen. Das Leumundszeugnis einer treu ergebenen Ehefrau, die noch dazu ein Fernsehstar war, hatte bestimmt einen hohen Stellenwert. Also, sagte er sich, sehen wir das Ganze mal so: Micky ruft die Polizei an, gleich nachdem sie Shaz’ Foto in der Zeitung gesehen hat. Das ist noch vor der Zeit, zu der ich gewöhnlich aufstehe. Demnach kann ich noch nichts davon gewußt haben, und das erklärt, warum ich nicht selbst zum Hörer gegriffen habe.
Denn, Officer, gestern abend hatte ich einfach zuviel um die Ohren, um mir die Spätnachrichten anzusehen. Ich komm ja kaum dazu, mir meine eigene Show anzusehen, ganz zu schweigen von der meiner Frau. Wie meinen Sie? Aber ja, ich gebe Ihnen gern ein Autogramm für Ihre Frau …
Jetzt kam es darauf an, eine Strategie zu entwickeln. Nach Leeds mußte er sich gar nicht bemühen, die Polizei tauchte sicher bald bei ihm auf, davon ging er aus. Wenn nicht, machte es erst recht keinen Sinn, die Cops anzurufen.
Warum hätte ich anrufen sollen, Officer? Ich habe weder irgendwelche Erkenntnisse, noch habe ich etwas zu verbergen …
Das wichtigste war jetzt ein Plan. Vorausplanen war das Geheimnis seines Erfolgs. Er hatte die Lektion auf nervenaufreibende Weise lernen müssen – damals, bei seiner ersten Ersatz-Jillie. Da hatte er eben nicht gründlich über alle Eventualitäten nachgedacht, sich nicht klargemacht, was alles dazwischenkommen und wie er damit fertig werden konnte. Das Cottage in Northumberland hatte er damals noch nicht gehabt und törichterweise geglaubt, die halbverfallene Wanderhütte, die er von den Wanderungen seiner Jugendzeit kannte, werde es auch tun.
Mitten im Winter kommt da sowieso niemand hin, hatte er gedacht. Und wer außer ihm kannte schon die alte Fahrspur, die zu der Hütte führte? Und weil er es nicht gewagt hatte, sie am Leben zu lassen, hatte er sie noch in derselben Nacht, in der er über sie hergefallen war, umgebracht. Was, weiß Gott, nicht so einfach gewesen war. Es hatte bis zur Morgendämmerung gedauert, bis sie endlich ihren letzten Atemzug tat. Allein die Anstrengung, sie zu fesseln und zu knebeln, den schweren Schraubstock in die Hütte zu schleppen und sie schließlich – oh, diese tiefe Symbolik für den Verlust, den er erlitten hatte – mit einer Gitarrensaite zu erdrosseln … Er war, vor Erschöpfung zitternd, einfach nicht mehr in der Lage gewesen, nun auch noch die Leiche zu beseitigen, und hatte beschlossen, das in der darauffolgenden Nacht zu erledigen.
Aber dann … ihm stockte jetzt noch der Atem, wenn er daran zurückdachte. Er war auf der Hauptstraße
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