Schmeckt's noch?
Erdbeere schmeckt anders, das hängt vom Standort, dem Boden, der Intensität der Sonne, dem Wetter, der Sorte und dem Reifezustand ab. So werden die vordergründigsten Aromabausteine synthetisiert, und diese lösen bei Ihnen den umwerfenden Eindruck aus.
Beißend steigen sie in die Nase, geil und breit bemächtigen sie sich Ihrer Zungenspitze, breiten sich penetrant im Gaumen aus und hinterlassen beim Abgang ein schales widerwärtiges Gefühl. Aber das tut nichts zur Sache. Sie sind längst auf diesen Geschmack konditioniert und assoziieren fürderhin Erdbeergeschmack mit dieser ordinären Aufdringlichkeit. Diese Geschmackskeule finden Sie in der Natur selbstredend nicht wieder.
Verstehen Sie jetzt, warum die real existierende Erdbeere dem Imitat und Ihrer verfälschten Erwartung nie und nimmer standhalten kann?
Die Aromastoffe werden in drei Gruppen geteilt — natürliche, naturidente und künstliche Aromen.
Natürliche Aromen werden wieder in zwei Kategorien geteilt:
a) die von der realen Frucht stammen (FTNF — „ From the natural fruit “)
b) die aus Pflanzen, Blättern, Samen, tierischen Rohstoffen gewonnen werden.
Bei der Extraktion von Aromen können Lösungsmittel eingesetzt werden, deren Wirkung auf die Menschen noch nicht restlos geklärt ist: Das Lösungsmittel Methylenchlorid erzeugte im Tierversuch Karzinome, Hexan steht im Verdacht, ein Nervengift zu sein. Aromastoffe können Zusatzstoffe enthalten, die nicht deklariert werden müssen, jedoch ins Lebensmittel gelangen können, wie z. B. Benzylalkohol , Isopropanol , Äthylcitrate, Guarkernmehl oder Calciumorthophosphate .
Vanillin oder
Von der Schweinemast zu unserer Konditionierung
Kinder lernen von ihren Eltern, welche Nahrung gut für sie ist und welche sie besser meiden sollen. Schon mit der Muttermilch, deren Geschmack sich ja mit der Speisenfolge der Mutter ändert, werden die Kleinkinder auf bestimmte Geschmäcker geprägt.
Dieses Prägeverhalten nutzt man auch in der Schweinemast aus. Da man Sauen normalerweise erst wieder decken kann, wenn die Ferkel entwöhnt sind, gibt man Aromen ins Futter der Sau, die auch in ihre Milch gelangen. Die neu geborenen Ferkel werden auf einen bestimmten Geschmack geprägt. Haben sie sich daran gewöhnt, wird das gleiche Präparat dem Ferkelfutter zugemischt, das nun viel früher verfüttert werden kann.
Dass das Gleiche auch beim Menschen funktioniert, zeigt ein Versuch, den das Sensorikunternehmen ASAP in München durchgeführt hat. Da über lange Zeit die Muttermilch-Ersatzpulver mit Vanillin, dem synthetischen Vanille-Imitat, versetzt wurden, ließ man 130 Jugendliche und Erwachsene zwei fast idente Proben eines handelsüblichen Ketchups vergleichen, bei denen eine Probe mit etwas Vanillin versetzt wurde. Kinder, die mit Flaschennahrung aufgezogen wurden, bevorzugten vier Mal so oft das vanillinhaltige Ketchup als jene Testpersonen, die als Säugling gestillt wurden. Das zeigt, dass wir Geschmacksrichtungen, auf die wir als Kleinkinder geprägt wurden, bis ins Erwachsenenalter treu bleiben. Und immer, wenn unsere Sinne nach einem Übermaß an Zuwendung verlangen, suchen und finden wir Heimat bei Vanillin.
Auch wenn die Hersteller von Säuglingsnahrung inzwischen auf diesen Aromazusatz verzichten, steigt der Bedarf an Vanillin ständig. Schließlich rundet das Aroma den Geschmack von Süß- und Backwaren, Speiseeis und Milchprodukten ab, es verfeinert Parfüm und wirkt sogar konservierend. Die jährliche Ernte an Vanilleschoten liefert etwa 20 Tonnen Vanillin. Jedes Jahr werden aber etwa 12.000 Tonnen des Aromastoffes verarbeitet. Das ist nur möglich, indem der hohe Bedarf mit chemisch oder enzymatisch nachgebautem Vanillin gedeckt wird. Zwar fehlen diesem synthetischen Vanillin die Begleitstoffe, die das echte Vanillearoma abrunden und ausmachen. Doch wer kennt noch den echten Vanillegeschmack?
À propos Kinder: Wundern Sie sich nicht, wenn Ihre Kinder Zappelphilippe sind. Es sind nicht die Gene, Sie haben sie nicht falsch erzogen, auch das familiäre Umfeld muss es nicht sein. Es können ganz einfach unterschiedliche Stoffe sein, die in ihrer Nahrung enthalten sind und die Hyperaktivität auslösen können. Vielleicht ist es auch nur die Kombination diverser Hilfs- und Zusatzstoffe, die Ihr Kind in den unterschiedlichsten Naschereien und Speisen zu sich nimmt. Außer dem lieben Gott weiß das niemand so genau.
Aber Sie haben ja die Zuständigkeit überantwortet, und nun
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