Schmeckt's noch?
Konsumenten zu blökenden Schafen abgerichtet.
Ideen sind wie Rhizome. Einmal in die Welt gesetzt, wird man ihrer nicht mehr Herr. Unter dem Pflaster breitet sich das Wurzelwerk der Rhizome aus, um dann völlig überraschend und zur Fassungslosigkeit mancher in den unterschiedlichsten Gärten zu erblühen. So ist es auch mit manchen, längst tot geglaubten Ideologien, wie z.B. der des Kommunismus.
Welch merkwürdige Metamorphose macht dieses Gebilde durch, plötzlich erscheinen die Säulen des Kommunismus als Leitstern, als Apotheose der Lebensmittel verarbeitenden Industrie. Reiben Sie ruhig Ihre Augen, doch es lässt sich nicht leugnen.
I. Postulat:
Alle sind gleich.
Das ist exakt das Tun der Lebensmittel verarbeitenden Industrie.
Alles ist gleich, schmeckt gleich, und wir werden unserer sensorischen Fähigkeiten, einem Aspekt unserer Individualität, beraubt.
II. Postulat:
Die Partei hat immer Recht.
Die zur Verfügung stehende Technologie ist das Maß aller Dinge. Sie gibt vor, wie zu verarbeiten ist, und was auch immer geschieht, es ist zu unserem Besten. Wir sind gut aufgehoben.
Habt Vertrauen, wir wissen, was wir tun.
III. Postulat:
Die Propaganda stellt die Wirklichkeit her und sorgt dafür, dass die Menschen das von der Partei Propagierte für die Wirklichkeit halten.
Der Werbeetat und die Werbemaschinerie sorgen für die Markendifferenzierung und Markenpenetrierung, auf dass die Marke Sie glauben macht, das Produkt XY sei völlig anders als das gleich und gleich schmeckende von YX.
Alles ist auf Täuschung angelegt — der tägliche Sand in Ihren Augen.
IV. Postulat:
Hoch die Internationale.
Die Globalisierung ist die heilige Kuh der Zeit. Egal, ob Sie in New York, Gramatneusiedl oder Shanghai sind, es ist überall das Gleiche. Es schmeckt gleich, es riecht gleich, es hat die gleiche Konsistenz. Sie müssen sich nie an etwas Neues gewöhnen, die antrainierte Qualität, die Lebensmittel-Qualität, auf die Sie konditioniert sind wie der Pawlow’sche Hund, verlässt Sie nie.
Wo Sie auch sind, Sie können sich darauf verlassen. So haben auch Sie noch einen Freund fürs Leben gewonnen.
Wir sind alle von der Arbeit Gezeichnete!
Warum vergessen wir beim Einkauf von Lebensmitteln, wie hart wir für unser Geld arbeiten müssen? Haben wir nicht eine außerordentliche Anstrengung verdient? Haben wir nicht verdient, dass die Hersteller ihre Rezepturen mit Rücksicht auf unsere Gesundheit entwickeln?
Warum nehmen wir uns und unser Leben nicht ernst? Warum lassen wir zu, dass unsere Bedürfnisse tagtäglich mit den Füßen getreten werden? Warum verraten wir unsere Bedürfnisse?
Warum mutet man uns diese aufgemascherlte Täuschungssuade zu? Warum nehmen wir sie einfach unwidersprochen hin? Warum schlucken wir alles runter?
Warum lassen wir uns diese ausufernde Menge von Hilfs- und Zusatzstoffen aufzwingen, über deren Wirkung es viel zu wenig Langzeitstudien gibt — vor allem von den Zusatzstoff-Kombinationen und den technologischen Beanspruchungen, wie Erhitzen, Gefrieren und vieles mehr?
Warum lassen wir zu, dass ständig versucht wird, uns zu konditionieren, zu indoktrinieren? Warum verkommen wir zur Manövriermasse? Brauchen wir wirklich einen „großen Bruder“, der uns zeigt, wo es langgeht?
Warum ist der Handel nicht Anwalt unserer Interessen?
Warum strengt sich niemand für uns und unser Geld an? Warum mehren wir deren Reichtum? Sie alle leben ausschließlich von uns: die Lebensmittel verarbeitende Industrie, der Handel, die Grundstofferzeuger, die Bauern, die Saatgutkonzerne, die Dünge- und Spritzmittelerzeuger, die Pharmaunternehmen, die Verpackungsindustrie, die Distributeure , die Autobahngesellschaft, die Mitarbeiter aller aufgeführten Firmen und der Staat, dem die Umsatzsteuer je verkauftem Produkt abgeführt werden muss.
Auch wenn ich nicht zur Zunft der pathologischen Weltverschwörungstheoretiker gehöre, frage ich mich, wohin das alles führen soll? Für wen oder wofür ist es gut? Wer profitiert von diesem Treiben? Wir Konsumenten sicher nicht.
Einer Krake gleich legen sie sich über den Erdball, eignen sich eines nach dem anderen an und wollen uns allen ihren Stempel aufdrücken. Zuerst berauben sie uns unseres Essens, indem alles gleich gemacht wird, dann gehen wir unserer Wahrnehmung verlustig, es ist ja alles gleich. Das heißt, wir werden unfähig, zu differenzieren, sind auf dem Weg zu alles hinnehmenden, resignierten und gleichgültigen Konsumenten, die
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