Schmerzlos: Thriller (German Edition)
das Kampfmesser. Der Arzt zuckte schon wieder zusammen. Hatte der Mann denn noch nie ein Skalpell oder ein Werkzeug in der Hand gehalten?
»Wenn du dir Mühe gibt, schaffst du’s vielleicht noch.«
Der Arzt glotzte ihn entsetzt an, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Coyote beugte sich vor und stieß das Messer in den Kunststoff des Armaturenbretts. Es blieb stecken.
»Das Blut auf der Klinge ist von deiner Frau. Wenn es sich mit deinem vermischt, bekommst du vielleicht ein bisschen von ihrem Mut ab.«
Er erhob sich. Das Zuggeräusch war jetzt lauter geworden.
»Du hast sechzig Sekunden. Wenn du Courage hast, fällt dir die Entscheidung sicher leicht.«
Coyote war mit zwei Schritten am vorderen Ende der Motorhaube und sprang herunter. Ein Blick zurück verriet ihm, dass der Arzt wie gebannt das Messer fixierte. Er entfernte sich ein paar Meter. Wenn der Zug erst mal um die Kurve war, würde er nicht mehr bremsen können.
Der Arzt rüttelte inzwischen wild an den Handschellen, in der Hoffnung, sie losreißen zu können. Das Rumpeln des Zuges kam immer näher.
In diesem Moment klingelte sein Handy. Als der Arzt das Geräusch hörte, sah er sich hektisch um und tastete sein Jackett ab.
Coyote hielt das Telefon hoch. »Suchst du das hier?«
Er las die Nummer vom Display ab: 911. Der Notruf. »Die Bullen. Hast du sie angerufen?«
Cantwells Lippen bewegten sich. »Sie kommen.«
»Das glaube ich weniger.«
Coyote klappte das Telefon auf und senkte die Stimme, bis sie so tief und dunkel klang wie die des Arztes. »Dr. Tully Cantwell.«
Die Einsatzkoordinatorin sprach mit der flachen, monotonen Stimme eines Menschen, dessen Beruf eine gewisse Abgebrühtheit erfordert. Bei einer Frau hörte sich das großartig an. Sie bat ihn, die Informationen zu bestätigen, die er ihr gegeben hatte, bevor das Gespräch unterbrochen wurde. Er hörte ihr zu, beobachtete den Arzt und schüttelte den Kopf.
»Nein, davon ist kein Wort wahr. Ich muss mich dafür entschuldigen, aber einer meiner Patienten hat mein Telefon in die Finger gekriegt, und ich fürchte, er hat diesen Anruf getätigt, um mir Ärger zu machen. Er ist …«
Coyote konnte der Stimme der Einsatzkoordinatorin anhören, dass sie stocksauer war.
»Er hat was gesagt? Großer Gott. Nein, meiner Frau geht es gut. Leider ist er geistig labil … Richtig. Nein, ich kann Ihnen nicht sagen, wie er heißt. Schweigepflicht. Nein, ich werde mich selbst darum kümmern. Vielen Dank.«
Er klappte das Telefon zu. Seine Hände waren klebrig. Er musste sich umziehen und duschen. Im Pick-up hatte er saubere Kleidung. Und duschen konnte er bei seinem nächsten Stopp, wenn er die Waffen holte, die er versteckt hatte, als er das letzte Mal in China Lake gewesen war. Der Zug dröhnte hinter der Kurve.
In dem halb zertrümmerten Lexus zerrte der Arzt das Messer aus dem Armaturenbrett. Er weinte hemmungslos. Dann hielt er das Messer über sein Handgelenk.
Coyote ließ den Blick Richtung China Lake schweifen. Es war Zeit, mit der letzten Phase des Projekts zu beginnen. Abigail Johnson Hankins, Thomas Jian Chang, Kathleen Evan Delaney, und – als Erste – Valerie Ann Skinner. Der Arzt schrie gellend auf, hob das Messer und stieß es sich ins Handgelenk. Im selben Moment donnerte die Lok um die Kurve. Durchdringendes Pfeifen, kreischende Bremsen.
Metall prallte auf Metall und schleifte es kreischend mit. Was für ein wunderbares Geräusch.
Vor dem Polizeirevier heulten Sirenen. Ich schaute auf die Straße hinaus, wo drei Löschfahrzeuge der Feuerwehr gen Süden rasten. Es war so weit.
Einer der anderen Detectives rief Tommy etwas zu: »Schwerer Unfall draußen vor dem College. Auto gegen Zug.«
McCrackens Stimme röhrte durch das Revier. »Chang.«
Er stand in der Tür seines Büros, rief die Detectives und die Polizeibeamten in Uniform zusammen und schickte Streifenwagen los, um den Verkehrsunfall und den gemeldeten Mord in Dr. Cantwells Haus zu untersuchen. Tommy stürzte in McCrackens Büro. Als er eine Minute später zurückkam, schloss er eine Schublade an seinem Schreibtisch auf, nahm seinen Dienstrevolver heraus und steckte ihn in sein Schulterholster.
Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Du bleibst, wo du bist. Hier bist du sicher.«
»Und was ist mit Valerie?«
Tommy, der sich gerade eine Jacke überstreifte, um die Waffe zu verdecken, hielt inne. »Wo ist sie momentan?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich bei ihrer Mutter.«
»Find es raus. Ich schicke einen
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