Schmerzlos: Thriller (German Edition)
sein Handy aus der Tasche. Er musste das LAPD anrufen. Die Tasten verschwammen vor seinen Augen. Großer Gott, nicht jetzt. Nicht ausgerechnet jetzt.
Swayze marschierte zum Esstisch und wühlte in den Papieren herum.
Jesse atmete tief durch und tippte die Nummer des Notrufs ein. Swayze blätterte die Zettel auf dem Esstisch durch und stapelte Notizbücher übereinander. Dann verschwand sie in der Küche. Als sie wiederkam, hatte sie ein kleines Wägelchen auf Rollen dabei, wie es alte Damen zum Einkaufen benutzen. Sie fing an, Papiere hineinzustopfen.
»Hören Sie auf«, sagte Jesse.
Die Einsatzzentrale war jetzt in der Leitung. »Die Polizei, bitte.«
Er schilderte knapp, was passiert war. Swayze fuhr fort, Unterlagen in das Wägelchen zu packen. Notizbücher, Tabellen, Papier.
»Jetzt hören Sie endlich auf damit«, zischte er.
Er wollte diese Wohnung nicht betreten. Doch Swayze würde die Beweise vernichten, damit sie sie nicht belasten konnten. Also rollte er zum Tisch und packte sie am Arm. Sie riss sich los.
»Sie verstehen nicht. Wenn Sie Coyote wirklich finden wollen, kann ich die Sachen hier benutzen, um sie zu uns zu locken. Sie wird alles zurückhaben wollen«, sagte sie. »Verlieren Sie jetzt bloß nicht die Nerven.«
Und dann entdeckte Jesse inmitten der Notizen und Tabellen auf dem Tisch ein paar Dinge, die ihm bekannt vorkamen. Ein Jahrbuch der Bassett Highschool. Und die selbstgemachte Zeitung, die beim Klassentreffen verteilt worden war. Und – großer Gott.
Mitten auf dem Tisch ruhte ein Tagebuch mit einem abgenutzten blauen Einband. Es war ein Beweismittel, und er wusste, dass er es nicht anfassen durfte. Er zog einen Stift aus der Tasche und schlug damit die erste Seite auf.
»Nein.«
Der Name stand gleich auf der ersten Seite, in der rundlichen Handschrift eines Teenagers. Evan Delaney.
29. Kapitel
Jesse blätterte die Seite um.
8. Oktober. Tommy Chang hat heute Hallo zu mir gesagt, als wir im Foyer waren. Es ist das erste Mal seit dem Ausflug, dass er mit mir gesprochen hat. Seine braunen Augen sehen immer so traurig aus. Er ist unheimlich süß.
Wie zum Teufel war Coyote an das Tagebuch gekommen? Seit wann war es weg? Seit achtzehn Jahren?
Swayze fuhr fort, Dokumente in dem Einkaufswägelchen zu verstauen. Nachdem sie alles Relevante vom Esstisch genommen hatte, ging sie ins Wohnzimmer. Jesse hörte auf, sich wegen der Vernichtung von Spuren Sorgen zu machen. Er griff nach dem Jahrbuch und schlug es auf.
Verdammt. Es gehörte Valerie Skinner.
Er wählte die Nummer von Evans Handy. Jetzt ergab plötzlich alles einen Sinn. Die vier, die noch übrig waren. Die Unruhestifter.
Komm schon. Nimm ab. Nimm ab.
Coyote wusste alles über sie. Doch sie wussten nicht, wie nah der Killer war.
Das Handy klingelte.
Will Brinkley, der junge Beamte am Steuer, fuhr mit äußerster Konzentration. Die Sonne brannte auf die Motorhaube. Mein Vater hockte auf dem Rücksitz hinter dem Gitter, mit dem der Fahrgastraum abgetrennt war. Ich wusste nicht, ob Brinkley aufgefallen war, dass ich nicht mit meinem Vater sprach, jedenfalls machte er keine Bemerkung darüber.
Ein Gedanke ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Wenn Coyote eine Frau war, hatte sich Maureen Swayze geirrt, was Kai Torrance anging. Oder sie hatte gelogen.
Der Asphaltbelag der Straße war zu Ende, und wir zogen eine dichte Staubwolke hinter uns her, als wir am Ende von Jimmy’s Ranch Road im Westen von China Lake auf einige Häuser zusteuerten.
Die Häuser waren ursprünglich für die Leute gebaut worden, die auf Jimmy Jacklins Ranch arbeiteten. Einige standen jetzt leer, und das Haus, das Alma Skinner gehörte, wirkte ziemlich heruntergekommen. Als wir in die Einfahrt bogen, flatterten ein paar Krähen vom Dach, die sich pechschwarz von dem blauen Himmel abhoben.
Vor dem Haus stand ein alter Chrysler, der über und über mit Vogelkot bedeckt war. Brinkley bremste, und eine Staubwolke legte sich auf den Streifenwagen. Wir liefen zum Eingang. In den Ritzen zwischen dem aufgesprungenen Asphalt hatte sich Fingerhirse angesiedelt. Irgendwo klimperte ein Windspiel.
Brinkley hielt das Fliegengitter auf und klopfte an die Tür. In dem Moment klingelte mein Handy. Ich warf einen Blick auf das Display, und mein Herz schaltete in den fünften Gang. Jesse.
Als ich das Gespräch annahm, hörte ich nur statisches Rauschen.
»Jesse. Bist du dran?«
Mein Vater beobachtete mich scharf. Brinkley klopfte noch einmal.
Durch das
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