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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ich mein Käsebrot in mich rein. Ich muss immer fester zudrücken. Der Schaft guckt oben aus meiner Faust. Die Klinge frisst sich langsam in die Hautfalten, sucht sich einen Weg. Die Stille wird unwichtiger. Ich höre sie fast gar nicht mehr. Hoffentlich sieht meine Mutter mein Lächeln nicht.
    Als ich den Wagen meines Vaters höre, weiß ich: Jetzt dauert es eine halbe Stunde, bis er in mein Zimmer kommt und mit mir reden will. Ich täusche mich. Es dauert nur eine Viertelstunde. Ohne anzuklopfen, steht er plötzlich hinter mir.

    »Was sollte das, Ben?«
    »Was?«
    Ich gucke weiter in mein Deutschbuch. Er reißt mich auf dem Drehstuhl rum. Ich falle fast runter.
    »Du hast Mama einen riesigen Schreck eingejagt. Sie dachte, du bist ertrunken. Sie hatte Todesangst um dich.««
    Seine Stimme wird selten so laut.
    »Das war ein Scherz von mir,.« Ich setze mich auf meine Hände.
    »Das war alles andere als lustig. Mit so etwas scherzt man nicht. Das war eine ganz miese Idee.«
    »Gut.«
    Ich drehe mich wieder zu meinem Schreibtisch um.
    »Ich möchte, dass du dich bei Mama entschuldigst.«
    »Dafür, dass ich nicht ertrunken bin?«
    Ich weiß, dass er mir jetzt am liebsten eine Ohrfeige geben würde, und ich weiß auch, dass er es nicht tun wird. Er schafft es, nichts drauf zu sagen. Schade eigentlich. Ich starre auf mein Buch. Er starrt auf meinen Rücken. Als ich aufstehe, kriegt er meinen Drehstuhl ab. Meine Mutter sitzt am Esstisch, guckt mich müde an. Ich rede mir ein, ihre roten Augen kämen vom Schwimmen. Ich bleibe in der Tür stehen.
    »Tut mir leid.«
    Sie sieht nicht so aus, als würde sie mir das glauben. Aber sie sagt einfach nichts. Das macht mich nervös. Wenn ich die Faust ganz eng schließe, bohren sich meine Fingernägel vielleicht in den Schnitt. Aber nein. Sie sind zu kurz, leider. Ich wechsel auf das andere Bein, bleibe weiter im Türrahmen stehen, gucke wie meine Mutter auf den Tisch
zwischen uns. Nach gefühlten drei Stunden drehe ich mich um.
     
     
    »Ich muss noch Schulaufgaben machen,.«
    Stunden später höre ich die beiden ins Schlafzimmer gehen. Den Fernseher habe ich heute Abend nicht gehört. Sie reden leise. Dann lacht meine Mutter. Sie lacht. Ich möchte am liebsten die Luft anhalten, bis jede Zelle in mir ausgesogen ist. Ich habe mal gelesen, dass man es zur Bewusstlosigkeit schaffen kann. Dann atmet der Körper wieder. Dann füllen sich die Zellen wieder. Ob der Kopf will oder nicht.
     
    Am nächsten Morgen bin ich das erste Mal, seit ich lesen und schreiben kann, ohne Hausaufgaben in der Schule. Ich habe noch nicht mal Schiss, dass es rauskommt. Dafür kriege ich schlechte Laune. Der Neu verteilt die Listen für den Bunten Tag. Am Bunten Tag führen alle in der Schule irgendwas auf, damit sollen neue Schüler geködert werden. Es gibt ein riesiges Kuchenbüffet, frische Waffeln und gute Laune auf allen Fluren. Das ist so was wie ein Tag der offenen Tür. Und wenn man erst mal angemeldet ist, werden die Türen abgeschlossen. Der Neu hatte uns schon vor ein paar Wochen dran erinnert. Am Schwarzen Brett hingen die verschiedenen Angebote aus. Ich habe vergessen, mich zu informieren. In den letzten Jahren habe ich einfach immer das gemacht, was Philipp vorschlug. Ich könnte jetzt Mirco fragen, wo er sich anmeldet. Mirco sitzt rechts von mir. Zwischen uns ist nur der leere Stuhl. Aber will ich das machen, was Mirco macht? Oder will ich vielleicht genau das nicht machen? Die Listen kommen bei mir an.
Alle haben sich schnell eingetragen. Alle wissen, was sie wollen. Ich blättere. Es gibt ein Trommel-Angebot. Perfekt. Das ist doch genau das Richtige für mich. Schnell schreibe ich meinen Namen rein. Als die Zettel vorn auf dem Pult ankommen, fliegt der Neu kurz drüber und stutzt.
    »Ben, warum meldest du dich denn für die Trommler an? Du spielst doch Schlagzeug, oder?«
    »Genau. Ich spiel Schlagzeug, weil es mir Spaß macht. Und deswegen will ich auch trommeln.«
    »Aber so ein Tag ist doch auch dazu da, mal etwas Neues auszuprobieren.«
    »Ich soll also etwas machen, was mir keinen Spaß macht?«
    »Vielleicht macht es dir ja Spaß, wenn du es erst mal machst.«
    »Ich bin da durchaus flexibel. Ich würde ja gern mal was Neues ausprobieren. Aber die Liste fürs Fallschirmspringen habe ich nicht gefunden.«
    »Und was anderes kommt für dich nicht infrage?«
    Der nervt mich echt. Was soll das?
    »Doch, klar. Streichen Sie mich ruhig bei den Trommlern und tragen Sie mich bei >Mode und

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