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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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wäre sie gar nicht da. Sie guckt irgendwo ins Nichts und sieht so aus, als wär sie am liebsten echt nicht da.
    »Ich finde, das ist eine gute Idee. Du bist doch eh bei jeder Probe dabei. Da kannst du auch was machen«, meint Benny. So unrecht hat er damit nicht.
    »Ich kann eigentlich gar nicht singen«, wirft Lea ein. »Das haben wir gerade gehört«, grinst Max. Ich glaube, er kann es sich mittlerweile ganz gut vorstellen, dicht an dicht neben Lea am Mikro zu stehen.
    Wir versuchen es. Wir spielen den Song so, wie Lea ihn vorgesungen hat. Es klingt noch ein bisschen holprig. Aber ihre Stimme ist gut. Kühl und ein bisschen rau. Kalt und voll. Immer so, als hätte sie leichte Halsschmerzen. Ich kann mich gar nicht satt hören.
    »Wir müssen unbedingt ein zweites Mikro anschaffen«, beende ich die Probe. Dann müsst ihr nicht immer so nah nebeneinander stehen. So oft wie Max sich Gyros reinschiebt, ist das ja echt kein Vergnügen.«
    Max guckt mich an, als würde er mich am liebsten zu Gyros verwursten.
     
    Meine Mutter hat mein Auto-Mobile noch nicht abgenommen. Aber sie hat mein Bett neu bezogen. Ich schlafe jetzt ohne Herrn Ballack in weißem Bettzeug.

    »Wir könnten eigentlich mal dein Zimmer neu streichen«, schlägt sie während des Abendessens vor.
    »Warum?«, frage ich erstaunt.
    »Vielleicht hast du ja mal Lust auf ein bisschen Farbe. Im Herbst wollen wir das Wohnzimmer umgestalten, da
    könnten wir dein Zimmer gleich mitmachen.«
    »Ich habe schon umgestaltet, wie du wahrscheinlich gesehen hast.«
    »Keine Lust auf ein bisschen mehr Farbe?«, mischt sich mein Vater ein.
    Seit wann interessiert der sich für solche Details wie sein Haus?
    »Wenn ihr unbedingt wollt, könnt ihr die Wände schwarz streichen.«
    Wieder diese Blicke zwischen den beiden.
    Meine Mutter kann es nicht lassen.
    »Du warst doch mit Philipp und seinen Eltern bei Ikea, als er sich so einen lustigen Sitzsack für sein neues Zimmer ausgesucht hat. Wär das nicht auch was für dich? Frag ihn doch mal, ob der Sitz etwas taugt.«
    Ich leg mein angebissenes Brot auf den Teller.
    »Was genau soll ich ihn fragen? Ob er weich genug ist für seinen Arsch? Oder ob er juckt? Ich brauche Philipp nicht als Innenarchitekten.«
    Ich stehe auf und geh nach oben.
    Ich dachte, es würde reichen, noch zwanzig Bahnen in unserem albernen Pool zu kraulen. Tut es aber nicht. Danach ist mir scheißkalt und gleichzeitig brennt irgendwas in mir. Ich trockne mich ab und setze mich an den Schreibtisch. Meine Hand findet das Messer von allein.
Ohne zu zögern, setzt sie es auf dem Arm an. Ganz langsam fährt die Klinge durch die Haut. Zwei, drei Zentimeter lang.
    Wir haben in Geschichte mal was über Aderlass gelesen. Das galt lange als Heilmethode. Vielleicht geht es mir auch bald besser. Zumindest wird mir außen wärmer und innen kälter. Die Temperaturen nähern sich an. Die Spannung ist raus. Mit zwei Handtüchern um den Arm geh ich ins Bett. Ich hab keine Lust, den Bettbezug einzusauen. Dann gibt es nur doofe Fragen und ich muss wieder mit Herrn Ballack schlafen.
     
    Meine Mutter ist schon fertig mit Frühstücken, als ich runterkomme. Sie steht mit dem Rücken zu mir und spült. Am liebsten würde ich sie von hinten umarmen. Mein Gesicht zwischen ihre Schulterblätter legen, langsam meine Nase von rechts nach links an ihr reiben. Ich nehme mir schnell einen Joghurt aus dem Kühlschrank.
    »Tut mir leid wegen gestern. Ich will keine schwarzen Wände. Auf Schwarz sieht man doch jedes Staubkorn«, versuche ich witzig zu sein.
    Sie dreht sich langsam um, versucht zu grinsen.
    »Mist, jetzt haben wir die Farbe schon bestellt«, sagt sie und im allerersten Moment glaube ich es sogar.
    »Dann können wir doch Papas Auto damit anmalen. So oft, wie das in der Werkstatt steht, ist es ja wirklich ein Trauerfall.«
    Jetzt schafft sie ein echtes Grinsen.
    Ich nutze den Moment.
    »Ich möchte mich übrigens vom Hockey abmelden.«

    Das Grinsen verkriecht sich in ihre Mundwinkel.
    »Warum? Das hat dir doch totalen Spaß gemacht. Verstehe ich nicht,.«
    »Ich schaff das nicht mehr neben der Schule. Das wird mir zu viel. Außerdem sind die Jungs da irgendwie doof.«
    »Vor ein paar Monaten waren sie noch total nett, oder?«
    »Ich glaube, die waren noch nie nett. Ich hab das nur nicht gemerkt.«
    »Weil du die ganze Zeit mit Philipp zusammen warst.«
    »Hör doch mal auf mit Philipp. Wir waren keine siamesischen Zwillinge, die in einer 16-stündigen Operation getrennt

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