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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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mehr< ein. Das macht mir bestimmt irre Spaß.«
    Er tut es wirklich. Blödmann.
     
    Schon am nächsten Nachmittag treffen sich die Gruppen das erste Mal. 17 Leute haben sich für »Mode und mehr« angemeldet. 16 Mädchen und ich. Super. Als Johanna als Letzte abgehetzt reinkommt, kann ich es mir nicht verkneifen:

    »Ach ja, wir mussten uns ja für was anmelden, wovon wir keine Ahnung haben.«
    Sie wird knallrot und irgendwie tut es mir sofort wieder leid. Ehe ich noch was sagen kann, kommt die Lassner. Die ist ganz okay für eine Lehrerin. Trägt enge Jeans und hat sogar eine kleine Tätowierung auf dem Oberarm. Sie hat einen Stapel weißer T-Shirts dabei. »So, das ist der Ausgangspunkt unserer Kollektion.«
    »Das wird ja eine prima Leichenhemd-Modenschau«, sage ich leise. Nicht leise genug. Sie funkelt mich an und erklärt dann, dass wir die Shirts nach eigenen Vorstellungen bearbeiten dürfen. Einfärben oder bemalen, mit Knöpfen verzieren, Löcher reinschneiden, Reißverschlüsse draufnähen und so weiter. Und das Ganze zeigen wir natürlich bei einer großen Schau. Die Mädels sind Feuer und Flamme. Mir wird heiß. Ich kann nicht in einem kurzärmeligen Shirt rumlaufen. Mit nackten Unterarmen. Das geht gar nicht. Ich habe oft die Klinge angesetzt in der letzten Zeit. Habe Bahn um Bahn gezogen. Musste einfach irgendwas spüren. Vorsichtig melde ich mich.
    »Ich habe gerade eine super Idee. Ich kann zufällig Schlagzeug und Trommel spielen. Wie wäre es, wenn ich den Auftritt damit begleite. Mit Trommelwirbel und Rhythmus und so. Das war doch total witzig.«
    Die Lassner guckt ein bisschen skeptisch. Mir wird leicht übel.
    »Wir können ja auch Musik vom Band nehmen. Aber dann ist sie zu leise oder kommt nicht in der richtigen Reihenfolge oder so. Das wär doch saublöd.«
    Die Lassner guckt in die Runde.

    »Was meint ihr?«
    Bitte. Bitte. Bitte.
    »Dann stört er uns wenigstens nicht auf dem Laufsteg«, giftet Johanna.
    Wenn die wüsste, was für einen Gefallen sie mir gerade getan hat.
     
    Die Mädels quatschen ewig lang über Design und Kreationen und Applikationen und solchen Mist. Selbst Frau Lassner wirkt ein bisschen ermattet. Als sie das Treffen beendet, ist es schon fast zwei Uhr. Ich glaube nicht, dass ich Lea noch sehe. Trotzdem mach ich mich auf den Weg. Und habe Glück. Falls sie erstaunt ist, mich vor ihrer Schule zu treffen, zeigt sie es zumindest nicht. Ich tu überrascht.
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich geh hier zur Schule. Komm gerade aus der Mensa.«
    Was ich hier mache, will Lea nicht wissen. Dabei hatte ich mir eine tolle Erklärung zurechtgelegt.
    »Und wo gehst du hin?«
    »Ins Jugendhaus.«
    »Wir proben heute doch gar nicht,.«
    »Du wirst es nicht glauben, aber ich geh da auch hin, um mich mit Freunden zu treffen,.«
    Wie blöd von mir.
    »Dann will ich dich nicht aufhalten. Muss auch weiter.«
    Ich stelle mein Board auf den Bürgersteig und trau mich.
    »Kannst du eigentlich singen?«
    »Weiß nicht. Weiß aber auch gar nicht, ob ich will.«
    Damit lässt sie mich stehen.

    Der Weg nach Hause ist weit und meine Beine sind irgendwie schlapp.
    Als meine Mutter um kurz nach acht durchs Haus ruft: »Ben, komm!«, ahne ich schon, was sie will. Ich schlendere trotzdem runter. Sie klopft mit der flachen Hand neben sich auf die Couch.
    »Komm schnell. Hat gerade angefangen.«
    »Ich bin kein Schoßhündchen.«
    Ihre Hand mit den Chips verharrt in der Luft. Schließlich stopft sie die Chips in den Mund.
    »Das ist gut. Wir haben nämlich auch gar keinen Hundekuchen mehr,.«
    »Ich hab oben noch zu tun«, sage ich und schließe schnell die Tür. Aber langsam genug, um diese Blicke zu sehen. Zwischen meiner Mutter und meinem Vater.
    Ihre Augen fragen: Was ist nur mit ihm?
    Seine antworten: Lass ihn.
    Ich frage mich, was sie mich lassen. Gehen? Stehen? Hängen?
     
    Ratlos stehe ich in meinem Zimmer. Ich habe hier oben gar nichts zu tun. Aber unten habe ich auch nichts verloren. Mein Zimmer kommt mir fremd vor. Diese albernen Fußballposter. Wie lange hängen die da eigentlich schon? Und warum? Diese Puzzles sind bestimmt schon drei Jahre alt. In einem Setzkasten an der Wand krümmen sich Schlümpfe und Autos unter einer Staubschicht. Als ich die Poster von der Wand reiße, bleiben die Heftzwecken natürlich stehen. Als ich sie endlich raus habe, ist an drei Fingern die
Haut unterm Nagel eingerissen. Es brennt tierisch. Auch die Puzzles müssen runter. Irgendwann mal war das mein Hobby.

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