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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Püppi, wenn wir wiederkommen, sind sie längst zurück und sitzen vor der Tür.«
    Sie taten es nicht. Die Futterschälchen in der Küche blieben unbenutzt. Die Futterdose musste ich wegwerfen. Die Fleischhäppchen später auch. Ich musste in die Mülltonnen schauen, weil Conny der Gedanke kam, beide seien überfahren und weggeworfen worden. Wir fanden sie nicht, aber allein die Vorstellung, dass sie tot im Müll liegen könnten, tat furchtbar weh. Suchen, rufen, Nachbarn fragen, Zettel schreiben und an Laternenpfähle heften. Ich setzte mein ganzes gespartes Geld als Belohnung aus für den, der mir meine Tiere zurückbrächte, doch niemand meldete sich.
    Meine Mutter rief an. Ich sagte es ihr nicht. Sie konnte uns ja doch nicht helfen. Conny telefonierte mit dem Tierheim und erfuhr, dass wir nicht die einzigen waren, die in unserer Gegend Katzen vermissten. Verzweifelt ging ich zu Lukas, um ihn um Hilfe zu bitten, doch er wies mich mit einer Ausrede ab, ließ mich vor der Tür stehen.
    Völlig fertig fuhr ich mit dem Bus ins Krankenhaus zu meinem Vater. Er lag in seinem Bett und sagte ein paar Minuten gar nichts. Ich starrte durch einen Tränenschleier auf seine weiße Decke und die noch weißere Wand dahinter, bis er mit der flachen Hand dumpf auf die Matratze schlug und rief: »Verdammt, jetzt hör auf zu heulen! Die Nachbarn haben mir berichtet, dass ihr die ganze Zeit gefeiert habt! So was passiert eben, wenn man nur an sich denkt! Die Katzen süß finden, aber kein bisschen auf sie Acht geben, das sieht dir ähnlich!«
    Anschließend wankte ich ganz benommen durch die neonbeleuchteten Gänge zurück nach draußen. Ich fühlte mich so elend, dass ich mich am liebsten in ein Krankenbett gelegt hätte. Auf dem Heimweg im Bus jedoch kam die Hoffnung wieder, ich rannte die ganze Strecke von der Bushaltestelle nach Hause, doch das brachte mir nur Seitenstiche und Atemnot.
    Am nächsten Tag kamen Mama und Benne nach Hause. An diesem Morgen stand es auch in der Zeitung, man solle auf seine Tiere Acht geben, es seien Katzenfänger unterwegs. Was das bedeutete, wussten wir alle.
    Jeder von uns hat gelitten. Meine Eltern waren mehrere Tage kaum ansprechbar: Mama hatte verweinte Augen, stets Kopfschmerzen und kam kaum aus dem Schlafzimmer heraus; mein Vater schleppte sich gleich nach seiner Genesung umso verbissener wieder zur Schule, vergrub sich in Arbeit und stierte abends nur schweigend in sein Weinglas. Benne gelang es als Einzigem, seine Trauer in produktive Wut umzuwandeln. Er entwickelte ehrgeizig sein Umweltprojekt, begann sich gegen Tierversuche zu engagieren, bestellte bergeweise Fachbücher, beschloss, Medizin an einer tierversuchsfreien Uni zu studieren, und erklärte den Schutz unserer Mitgeschöpfe zu seinem Lebensziel.
    »Püppi? Kann ich reinkommen?« Benne klopft an meine Zimmertür, tritt ein und stellt sich neben mein Bett.
    »Hau ab!«
    »Du weinst doch nicht etwa?« Er sagt es freundlich, setzt sich auf meine Bettkante, streicht mit seiner Hand über meinen Kopf.
    Ich drehe mich weg. »Lass mich!«
    »Du denkst, ich will dir deinen Lover vermiesen, stimmt’s?«
    Ich antworte nicht, sondern drücke mein nasses Gesicht ins Kopfkissen.
    »Das ist nicht so.« Benne greift sich meinem alten Teddy Fritz vom Schrank, und ich erschrecke, denn in ihm ist ja mein Verbandszeug deponiert.
    »Hallo, Pia«, sagt Benne mit einer Brummstimme, »ich bin Anwalt Fritz, und ich vertrete hier deinen Bruder. Ich muss meinen Mandanten in Schutz nehmen.«
    »Hör auf mit dem Blödsinn!«
    Ich greife nach dem verräterischen Stofftier, aber er hält es am ausgestreckten Arm in die Luft.
    »Gib mir den Teddy!«
    »Man sollte einen in Ehren ergrauten Bären ausreden lassen. Schließlich hast du mich schon um ein Ohr und um ein Auge gebracht. Und der Oberfolterknecht Kramer bringt so ziemlich jedes Tier, das er in seine Finger kriegt, um Ohren, Augen, Beine …«
    »Hör auf!«, rufe ich, springe auf, entreiße ihm meinen Teddy und stopfe ihn unter das Kopfkissen. »Du erzählst mir so was doch nur, weil es dir einen Heidenspaß macht!«
    »Wie sollte es?«, sagt Benne. »Was meinst du, warum ich bis heute damit gewartet habe? Weil ich es auch nicht ertragen konnte! Ich wusste doch, dass du bei den Namen Pablo und Mohrle gleich wieder anfängst zu heulen! Deshalb hab ich nichts gesagt! Bescheid wusste ich nämlich schon am Samstag. Aber ich dachte, du hättest den fetten Sohn vom Kramer nach der Party nur aus reiner

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