Schmetterball
über diese Unterstützung für Lennart und lächelte der Gruppe kurz zu, bevor sie sich wieder an Lennart wandte:
»Um unauffällig zu bleiben, solltest du wie immer allein nach Hause gehen.«
»Allein?«
»Natürlich nur zum Schein! Selbstverständlich begleiten wir dich. Aber wir bleiben versteckt. Sokönnen wir beobachten, ob dir jemand folgt und wenn ja, wer«, erklärte Linh.
»Und wenn die Erpresser zuschlagen, nehmen wir alles auf!« Ilka öffnete ihren Rucksack und zeigte auf eine kleine Digicam,
die sie sich von ihrem Vater hatte ausleihen dürfen. »So könnten wir einen möglichen Überfall beweisen.«
»Überfall?« Lennart war nicht mehr in der Lage, einen vollständigen Satz zu formulieren. Ihm wurde gerade klar, worauf er
sich einließ: Er spielte den Köder an der Angel, während die anderen nur darauf warteten, dass die Erpresser anbissen.
Michael nickte ihm zu. »Oder hast du eine bessere Idee?«
Nein, Lennart hatte keine bessere Idee.
»Heute und morgen bekommst du eine ständige, unsichtbare Eskorte«, versprach Ilka.
»Was bekommt er?«, fragte Michael, der das Wort noch nie gehört hatte. »Eine Ess-Korte? Was ist das denn? Ich kenne nur Torte.«
»Personenschutz!«, übersetzte Ilka etwas frei. »Wie die Promis bei großen Veranstaltungen.«
»Sag das doch gleich«, murrte Michael und zeigte dann ein breites Grinsen. »Cool. Ich als Personenschützer.Das finde ich gut. Kriege ich auch so eine dunkle Sonnenbrille?«
Lennart warf Michael einen säuerlichen Blick zu:
Das ist nicht witzig!
Michael begriff und entschuldigte sich sofort. »War nicht so gemeint.«
Linh organisierte die Aufteilung. Michael sollte hier im Gang stehen bleiben und aufpassen, während Lennart seine Sachen aus
dem Umkleideraum holte. Danach sollte er zur Bushaltestelle gehen. Jabali postierte sie am Ausgang, Ilka in der Nähe des Fahrradstands
und sie selbst würde auf dem Rad warten, um Lennart unauffällig nachzufahren. Sie alle würden per Handy in Verbindung bleiben,
falls jemand etwas Auffälliges entdeckte.
Die vier bezogen ihre Posten.
Lennart holte seine Sachen aus dem Spind, zog nur einen Trainingsanzug über seine Sportkleidung, wechselte die Schuhe und
ging nach draußen zum Fahrradstand. Beim Aufschließen seines Fahrradschlosses versuchte er, ohne seinen Kopf zu bewegen, aus
den Augenwinkeln zu erkennen, ob ihn jemand beobachtete.
Er sah nur Michael, der, wie abgesprochen, nun Richtung Bushaltestelle ging. Von dort aus sollte erbeobachten, was sich sonst noch so um die Halle herum tat. Wenn er nicht gewusst hätte, wo sich die anderen postiert hatten,
hätte er sie nicht bemerkt. Lennarts Eskorte war wirklich unsichtbar, fast schon unheimlich.
So unsicher und voller Angst wie in diesem Moment hatte Lennart noch nie den Weg nach Hause angetreten. Hinter jeder Ecke
befürchtete er einen dieser maskierten Typen. Alle Augenblicke drehte er sich um, ob ihm jemand folgte. Zudem fuhr er möglichst
langsam, damit seine Freunde nachkommen und ihn im Auge behalten konnten. Und er fuhr, anders als sonst, immer auf den Radwegen
an den Hauptstraßen, ließ die Abkürzungen durch die kleinen Gassen und Wege aus. Die nahmen seine Freunde, so konnten sie
ihn immer wieder überholen und die Gegend im Auge behalten.
Bis zu seiner Haustür blieb alles ruhig. Lennart trug sein Fahrrad in den Keller, steckte dann noch mal seinen Kopf aus der
Haustür und hörte den schrillen Pfiff, mit dem sich Jabali verabschiedete. Der Pfiff bedeutete:
Bis morgen! Pünktlich an diesem Ort!
So hatten sie es vereinbart.
Lennart wusste, von nun an war er allein. Er lief durch den kleinen Vorgarten, öffnete die Haustür,betrat den Flur, schloss die Haustür sofort wieder hinter sich und atmete erst einmal durch. Zu Hause!
Aus dem Wohnzimmer hörte er Musik. Sonst nervten ihn die Opernarien, die seine Mutter so gern beim Bügeln hörte. Heute genoss
er sie. Er war nicht allein!
Im Wohnzimmer saß sein Vater mit Kopfhörern vor dem Fernseher und verfolgte das Langweiligste, was man sich nach Lennarts
Meinung überhaupt im Fernsehen anschauen konnte: eine Debatte im Bundestag.
Lennart begrüßte seine Eltern und umging lästige Nachfragen, indem er sofort in sein Zimmer huschte. Er griff zu seinem Buch
und kroch damit unter seine drei Decken. Aber von Entspannung keine Spur! Immer wieder tauchten zwischen den Zeilen die Bilder
der Erpressung auf. Die Masken, die Tätowierung, die Stimmen, das
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