Schmetterlingsgeschichten - Chronik II - Rock 'n' Roll (German Edition)
die
Leitung hoch gepresst wurde. Er ging vorsichtig einen Schritt zurück. »Oweia,
der explodiert gleich«. Der Automat fing an, zu ruckeln und zu wackeln. Dem
Geräusch nach müsste das kochende Wasser eigentlich jetzt schon fließen… aber
es kam nichts.
»Is ja witzig«, sagte er sich. Dann schlug er einmal mit der Handfläche
auf das komplett wackelnde Gerät. Patsch. Mit einem lauten Stöhnen krampfte
sich das Wasser durch den Hahn. Eine braune Flüssigkeit tropfte in die Tasse,
die er darunter gestellt hatte. Mit einem lauten »Rumps« endete der Vorgang
jedoch abrupt. Die Tasse war noch nicht einmal halbvoll.
»Klasse.
Nen Mokka. Naja, auch egal«. Irgendwie war ihm in den letzten Wochen ziemlich
vieles egal geworden.
Gerade
erst hatte er Sarah getroffen und war schon wieder von ihr getrennt worden.
Jens
hatte nicht lange überlegen müssen: Ja, er hatte Liebeskummer. Jede Faser
seines Körpers schmachtete nach ihr. Mist.
»Schöne
Scheiße«, wiederholte er zum unzähligsten Mal.
Jens
war gerade aufgestanden und hatte sich wie jeden Morgen auf dem Schiff einen
Kaffee machen wollen. Für ihn wurden Dinge, die er mehr als drei Mal machte,
schnell zu Ritualen. Er war selber das schlimmste Gewohnheitstier, das er
kannte.
Jens
und Sarah hatten ganze drei Tage für sich gehabt. Es waren die wunderschönsten
Tage seines Lebens gewesen. Er setzte sich auf den Stuhl, der neben der Kaffeemaschine
stand und fing schon wieder mit einem Tagtraum an. Er fand es gar nicht
schlimm, denn er sehnte sich nach ihr. Er konnte sich vorstellen, wie Sarah
jetzt einfach um die Ecke kam, ihm einen Kuss auf die Stirn gab und sich selber
einen Kaffee brutzelte. »Hihi«, kicherte Jens wie ein kleiner Schuljunge.
»Sie
hat dieselben Probleme mit der Maschine wie ich«, dachte er, während er ihr
zuschaute und sie bewunderte.
Dann
drehte sie sich um und warf ihm diesen einzigartigen Blick zu. Diesen Blick, den
Jens in den drei Tagen immer und immer wieder von ihr bekommen hatte. Ihre
Augen strahlten. Sie wusste gar nicht, dass das alleine schon das schönste
Geschenk war, das sie ihm machen konnte.
»Ich
glaube, Frauen verstehen das gar nicht so sehr«, murmelte Jens vor sich hin.
Jetzt sah er allerdings wieder, dass er alleine und Sarah sooooooo weit von ihm
weg war.
»So
ein Mist. Ich bin viel zu erwachsen, als dass ich mich hier wie ein kleiner
Teenager aufführe.« »Aber du bist immer bei mir. Und ich bin immer bei dir. Ich
liebe Dich, mein Schatz«, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Jens explodierte
fast vor Freude.
»Liebling,
wo bist du? Wie geht es dir? Was machst du?«, dachte er ganz aufgeregt. Seine
Gedanken überschlugen sich.
»Ganz
ruhig, mein Schatz. Ganz ruhig«, dachte Sarah. Schnell hatte sie begriffen,
dass sie die Vernünftige in der Beziehung war. Aber das war nicht schlimm. Das
liebte sie auch so sehr an ihm…unter anderem.
»Ich
sehne mich auch sehr nach dir. Ich habe nicht viel Zeit. Über diese Distanz ist
es sehr anstrengend«, noch während sie diese Worte sagte, wurde ihre Stimme in
seinem Kopf schon schwächer.
»Nein!
Liebling! Nein! Noch nicht. Ich liebe dich!! Hörst du? Ich liebe dich!!!«, dachte
Jens. Wenn Gedanken brüllen konnten, dann taten sie dies gerade. Er schrie
seine Liebesbotschaft quer durch die Galaxien.
»Ich
liebe dich auch! Mir geht es gut. Uns allen geht es gut. Ich melde mich wieder.
Ich liebe dich über alles, mein Mann«, waren die letzten Fetzen, die Jens
verstehen konnte.
»Mein
Mann?«, schrie und brüllte er jetzt. Sein Kopf war rot angelaufen. Hauchzart
hörte er noch »Ja« oder war es ein »uaa«? Oder ein »baah« ? Hatte sie ihn
gerade Mann genannt?
»Ja,
hat sie« sagte seine innere Stimme. Xamorphus sprach gerade zu ihm.
»Und
der letzte Satz galt mir. Nicht dir«, sagte die Stimme weiter. »Du bist Jens.
Und sie ist Sarah. Ich bin Xamorphus und sie ist Gwendoline«. »Aber ich bin
du!«, sagte Jens zu der Stimme. »Das stimmt. Und eure Liebe ist dieselbe. Wir
sind dieselben, aber trotzdem…Sarah ist eine junge Frau. Und in ihr steckt der
Geist einer Alten. Aber eines wissen wir Alten am besten: Es gibt Dinge, die
sollten wir euch nicht verraten. Oder besser, Dinge, die müssen selber erlebt
werden. Genauso wie eure frische Liebe. Ihr müsst miteinander wachsen, euch
gegenseitig erleben und pflegen. Dieses kann nur gelebt werden«, sagte
die Stimme und verschwand…
»So
ein Mist«, dachte Jens.
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