Schmetterlingsgeschichten - Chronik II - Rock 'n' Roll (German Edition)
lassen.
Jetzt
blickte er auf Cassandra runter, die langsam, ohne jede Hektik, ihre Augen
öffnete.
»Schade,
ich bin noch gar nicht lange ein Ritter, um euch zu dienen, schöne Frau«, sagte
Chester. Cassandra erlangte gerade das Bewusstsein wieder und hatte gerade noch
das »…euch zu dienen, schöne Frau« mitbekommen.
Ihre
Augen blickten in das sanftmütigste Gesicht, das sie jemals gesehen hatte - doch
seine Augen schienen traurig zu sein.
Cassandra
verarbeitete die Situation in Sekundenschnelle. Vor ihr war ein Gesicht, das
sich vom Leben verabschiedete.
»Ich
habe hier hinten was Wasser gefunden. Und leckere Kekse sind hier auch. Die
sehen sogar noch ziemlich klasse aus. Ich probiere schonmal einen… ob die noch
gut sind, ja?«, trällerte Darfo aus dem Nebenraum.
»Sie
waren wirklich noch nicht lange zusammen. Sonst hätte der Kleine gemerkt, dass
sein Ritter gerade hier stirbt«, dachte Wansul einfach und beobachtete die
Situation. Cassandra fuhr schnell nach oben.
»Nein«,
kam es erschrocken aus ihr heraus. Chester ging dabei auf die Knie, ließ die
Flasche fallen und hielt sich gerade noch mit einer Hand am Tisch fest. Der
Barskiemann warf einen letzten Blick genau in Cassandras Augen und sie begann,
zu weinen. Dann sackte er in sich zusammen und fiel mit einem lauten »Rums« zu
Boden.
Das
hatte auch Darfo gehört und kam wieder um die Ecke geflogen. »Huch«, entfloh es
ihm erschrocken, und er verstarrte wie eine Salzsäule kreidebleich in der Luft.
Cassandra zeriss das Hemd, das ihr gerade noch als Kopfkissen gedient hatte, so
schnell es ging in drei Teile und band damit die drei am stärksten blutenden
Wunden ab. Ihr stieg der Schweiß und der letzte Atem von Chester in die Nase
und ihr Gesicht veränderte sich mit einem Schrecken - einer Angst um Chester.
Hektisch
werkelte sie um ihn herum und wurde dabei richtig sauer. »Du darfst nicht
sterben! Du wirst nicht sterben! Nicht hier und nicht jetzt.«
Wansul
beobachtete das Ganze, und, als wenn es auf einmal »Pling« gemacht hätte,
grinste der alte Schmetterling. Jetzt wusste er, warum Cassandra nach hier
unten gelangt war.
»Keine
Sorge. Ich hatte dir doch schon gesagt. Es gibt keine Zufälle. Er wird
überleben!«
******
31.
» K rach
und dann Bumm! Ist er einfach umgefallen! Und wir waren die Sieger!«, sagte der
Knirps abschließend. Dabei strahlte er über beide Ohren.
Stephanus hatte gerade eine der besten Shows seines Lebens bekommen. Es war
anscheinend der erste Tag auf dem Planeten für den Schmetterling.
Selbstverständlich hatte er alles als »Besonders wichtig für den Chronisten«
eingestuft. Und so hatte er den ganzen Tag auch direkt vor Stephanus komplett
nachgespielt. Er war schon froh, dass sich Johnny diesmal ein bisschen zusammengerissen
hatte.
Niemand wusste, wie hart die Arbeit eines Chronisten wirklich war. Johnny und
Jack.
Ach,
er wollte doch noch nach Sir Virgil geschaut haben. Das Buch hatte er seit
jenem Abend nicht mehr angerührt. Es lag aufgeschlagen an seinem Platz. Der
Knirps war auch der Letzte für diesen Tag gewesen, und so nahm er sich ein Herz
und wagte sich wieder an das Buch heran. Sir Virgil of Camboricum war ein
Draufgänger - nichts anderes beschrieb den Mann so gut.
Immer wieder tauchte er mal hier und dann mal dort auf. Aber am liebsten wirkte
er im heutigen England. Stephanus war zu dem Buch zurückgegangen und schaute
sich die Seite an, die er zufällig aufgeschlagen hatte. Sogar die
Schmetterlinge hatten in ihren damaligen Erzählungen eine wesentlich andere Form,
als die Modernen von heute:
...Es
war um das Jahr 937. Sir Virgil hatte sich nach einem an-strengenden Flug von
Orso wieder umgezogen und war in seine verschmutzte braune Hose und sein
dreckiges grünes Hemd geschlüpft.
Jetzt
war er im Herzen der Insel. Er war stolz darauf, wie jeder andere wirkliche
Ritter, den Kampf mit dem Schwert zu bestreiten.
Andere
Waffen trugen sie nicht auf der Erde. Er war ein Meister, der jetzt fast 850
Jahre lang seine Schwertkunst perfektioniert hatte. Virgil sprang auf sein Ross
und wollte den Wald noch in dieser Nacht verlassen, damit er es zeitig nach
Winchester schaffte. Seine Identität in diesem Jahrhundert, in dieser Region, war,
dass er ein Ritter ohne Land sei, der gegen Bezahlung so manch eine Aufgabe
erledigte.
Es
war die Taverne »Canterbury Tales Store«, in der er sich stadtbekannt
niedergelassen
Weitere Kostenlose Bücher