Schmetterlingsgeschichten - Chronik V - (R)Evolution (German Edition)
Meter von der Meute entfernt waren, blieben sie stehen
und FeeFee hob ganz synchron, wie der Schmetterling es vormachte, ihre linke
Pfote.
Dann
geschah es: mit einer alles bestimmenden, verstanderfüllenden, noch nie auf
diesem Planeten gehörten Stimme schrie er, schrie FeeFee:
»STOPP!!!«
Eine Schockwelle erfasste sie alle!
Jeder
Lan-Dan, der sich ihnen näherte, konnte gar nicht anders, als zu einer
Salzsäule zu erstarren. Was die einen fesselte, entspannte jemand anderes
sofort.
»Puuh«,
schüttelte sich Wansul und vergaß, dass er FeeFee noch lenkte. Diese schüttelte
sich auch und beide murmelten, »ein Eis, Vanille und Schoko, wäre jetzt nicht
schlecht.«
Dann
schaute er aber wieder auf und sah die Menge. Wansul und FeeFee kratzten sich
am Kopf, überlegten, was sie hier gerade machten… und dann fiel es ihnen wieder
ein. Und wieder war es diese Stimme. Diese alles erfassende, diese einzigartige
Stimme. Vater und Mutter in einem – furchterregend.
»Ihr
werdet sterben, wenn ihr nicht umdreht. Dies ist nicht der Tag, der für euren
Tod vorherbestimmt ist«, sagte diese tiefe Stimme, die aus dem Universum selber
zu kommen schien. »Ich weiß es, denn… «, stoppte Wansul… und schaute
erschrocken auf.
»Moment,
jetzt hättet ihr mich fast reingelegt und ich hätte…«, kratzte er sich am Kopf.
Schmetterling, war er verwirrt. Nein, das sollte er ihnen lieber auch nicht
verraten.
»Sagen
wir einfach: Ich weiß es!«, fuhr der Schmetterling fort, entdeckte dann aber
ein Gesicht unter der Meute und zeigte auf ihn.
»Bis
auf dich, heute ist deiner – aber das wirst du nachher ja dann noch merken!«
Der
Lan-Dan, auf den er gezeigt hatte, fiel augenblicklich in Ohnmacht.
Wansul
und FeeFee hoben einen Finger, steckten ihn sich in die Münder und hielten sie
dann wieder in die Luft. Mal schauen, woher der Wind nun wehte.
Anderswo
interessierten die Vorgänge niemanden.
»Zlabbern
izt nicht gut«, flüsterte im Hintergrund eine Stimme seiner Ritterin zu.
In
Jolanda kehrten die Kräfte zurück. Egal, was in der Mini-Flasche war, reines
Wasser war es nicht. Sie hatte mehrere Tage nichts gegessen und von
Depressionen war sie schon seit ihrer Kindheit an gejagt worden. Zudem kam noch
hinzu, dass nichts für einen Lan-Dan schlimmer war, als vom eigenen Volk
verstoßen zu werden. Diese Kombination, dazu noch ihre Verwandlung, die sie
immer noch nicht ganz verstanden hatte, hatten ihre Seele an den Abgrund der
Existenz geführt. Lange hatte der Fährmann vor ihr gestanden und ihr immer
wieder die Fahrt angeboten. Sie stand an dem Ufer dieses Flusses. Er wollte sie
mitnehmen. Von hier konnte sie die Völlerei und Fleischeslust an den Ufern
sehen, wie sie tanzten, wie sie Harfe und Zimbeln spielten, wie sie sich
liebten. Und er wartete mit einer Gelassenheit, die ihr vermittelte, dass er
irgendwann sowieso die Fahrt mit ihr antreten würde. Dieses Grau war das
schrecklichste Grau gewesen, das sie jemals gesehen hatte. Stunden, Tage,
Wochen oder Monate – sie konnte nicht sagen, wie lange sie dort am Ufer gestanden
hatte und der Fährmann vor ihr in seiner Gondel auf sie wartete. Es war ein
Mann von ungefälliger, ja brutaler Physiognomie, seemännisch blau gekleidet,
mit einer Schärpe gegürtet und einem formlosen Strohhut, dessen Geflecht sich
aufzulösen begann, verwegen schief auf dem Kopf sitzend. Aber hinter ihm, da
war noch etwas viel Schrecklicheres gewesen. Eine schwarze Gestalt mit einer
Krone. Böse, böse, böse. Drachen tanzten hinter ihm durch dunkle Wolken, Blitze
spien ein gelbes Gift. Kreaturen lechzten nach Blut – seine Sklaven, seine
Schergen, seine Untertanen. Und er, und sie… sie kamen näher. Näher zu dem
Fährmann hin, näher an das Ufer. Sie wollten nicht bleiben, sie kamen. Sie
schickten sich an, die Seite zu wechseln!
Dann
war das rettende Licht aufgetaucht.
Kleine
goldfarbene Kugeln tanzten um den alten Schmetterling. Sie drückten das Grau
über ihr hinfort. Der Fährmann erschrak, als ER in sein Reich kam. Mit
Entsetzen stellte er fest, dass er niemals diese Seele fahren würde. All sein
Warten – umsonst.
»Du
bist hier nicht am richtigen Ort«, hatte ER zu ihr gesagt, mit einer
Stimme, die ihrem Großvater zu gehören schien. Vielleicht auch ihrem
Urgroßvater oder auch ihrem Ururgroßvater. Vielleicht sogar noch viel weiter
weg. Diese Stimme hatte sie vorhin auch hier gehört, aus dem Mund des
Schmetterlings. Es war seine Stimme! Dann
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