Schmetterlingsjagd (German Edition)
stecken – er weiß, dass ich ihn liebe . «Ich bin zum Tens gegangen, aber da warst du nicht mehr. Dieser Psychopath muss dich schon erwischt haben. Ich habe nur deine Tasche gefunden.» Er schluckt. «Ich hatte keine Ahnung, wo ich nach dir suchen sollte. Ich bin vor dem Tens herumgestanden und habe dort Officer Gardner getroffen. Sie war schon länger hinter Jones her. Ich bin dann bei ihr im Streifenwagen mitgefahren», erzählt er.
Flynt zieht die Decke etwas fester um uns. Seine Hände legt er zärtlich auf meinen Hinterkopf und krault mir die Haare. Ich greife nach dem Becher Kakao, den Officer Gardner uns hingestellt hat, puste hinein und spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht schießt, spüre seine langen Finger, die über meine Kopfhaut streicheln, meine Ohren, die zarte Haut meiner Schläfen.
Halt ihr die Augen zu, Frank. Halt ihr die Augen zu.
«Gardner hat mir erzählt, dass sie deinetwegen noch einmal in Sapphires Akte geschaut hat», fährt er fort. «Sie hat mir keine Einzelheiten verraten, nur dass sie überzeugt war, dass Jones in den Fall verwickelt ist. Sie musste den Lieutenant anflehen, Beamte zu seinem Lagerhaus zu schicken. Heute hat sie dann endlich die Erlaubnis bekommen, obwohl der Fall eigentlich schon zu den Akten gelegt war. Sie haben dort Gegenstände gefunden heute Nacht – Fotos, die er in seinem Büro aufbewahrte – Fotos von Sapphires Leiche, SMS, die er ihr geschickt hat … der ist ja total durchgeknallt. Total machtgierig. Ich habe ihr erzählt, dass Sapphire kurz mit mir über ihn gesprochen hatte. Ich wusste, dass da ein Typ im Club war, der ihr Angst einjagte, aber das ist alles. Sie hat niemals Namen genannt.»
Ich schaue in sein Gesicht und bemerke, dass es blasser ist als sonst, seine blauen Augen niedergeschlagen, voller Trauer. Er legt eine Hand auf meinen Rücken und fährt zart die Wirbelsäule entlang nach unten. Ich ziehe die Decke um uns wieder fester. Ich zähle seine Wimpern, sieben, acht, neun . Aufhören bei neun. Neun ist genug. Neun füllt meine Stimmbänder, lässt Worte von meinen Lippen fließen.
«Sapphire hat dir von ihm erzählt?»
Flynt nickt.
«Also … war sie deine Freundin? Diese ganze Zeit.»
Er schluckt trocken. «Ja. Das war sie», sagt er, und die Worte strömen nur so von seinen Lippen. «Sie wurde eine Art Schwester für mich. Eine Ersatzschwester. Meine eigene habe ich verloren – ich habe sie zurückgelassen, als ich von zu Hause wegging. Ich habe mich immer so schrecklich gefühlt, dass ich sie verlassen habe.» Er greift nach seinem Becher und hält ihn eine ganze Minute in den Händen, bevor er einen Schluck daraus nimmt.
«Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast», sage ich leise. «Wie alt ist sie?»
«Sie war neun, als ich gegangen bin. Sie muss jetzt … vierzehn sein.» Er schüttelt den Kopf und schluckt erneut. «Ich habe ihr jede Woche geschrieben, deshalb wusste ich, dass mein Stiefvater wieder mit seiner Scheiße angefangen hatte – er hat gesoffen und sie verhauen und …» – seine Stimme bricht, und er schaut nach unten, auf seine geballten Fäuste – «… und keine Ahnung, was noch alles. Ich weiß nur, dass es schlimm war.»
Flynt rückt näher an mich heran, legt seine Nase an meine rechte Schulter und küsst sie. Ich drehe den Kopf und küsse auch die andere, damit es ausgeglichen ist, und er lacht fast und küsst noch einmal die rechte und ich die linke. Und er küsst rechts. Und ich küsse links und halte die Hand hoch, damit er aufhört. Weil sechs das ist, was ich brauche. Nicht mehr.
«Also, was ist mit deiner Schwester passiert? Hättest du es nicht irgendjemandem sagen können, vielleicht einem Polizisten oder einem Sozialarbeiter oder so?», frage ich.
«Mein Stiefvater ist Polizist», sagt er und presst den Mund zu einer geraden Linie zusammen. «Ich wusste, dass ich sie selbst da rausholen musste. Ich wollte, dass sie von dort weggeht, dass sie hierherkommt – ich brauchte Geld, um es ihr zu schicken, damit sie etwas sparen konnte.» Er verlagert sein Gewicht auf dem Stuhl und reibt sich mit der Hand über die unrasierten Wangen. «Und dann hat mich ein Freund im Malatesta’s mit Mario bekanntgemacht, der gesagt hat, dass er mir so ziemlich alles für einen anständigen Preis abkaufen würde. Zuerst habe ich Straßenmusik gemacht und gebettelt oder die Müllcontainer nach Brauchbarem durchwühlt, aber das hat nicht gereicht – also habe ich angefangen zu klauen. Nur
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