Schmetterlingsjagd (German Edition)
nie, nie, niemals wiedersehe, weil er fort ist, weil wir alle fort sind, weil wir niemals wiederkommen und alles eine Lüge war und Flynt niemals die Wahrheit erfährt – niemals erfährt – niemals berührt – niemals liebt …
Okay, G-Man, jetzt geht’s los …
Niemals weiß, dass ich liebe, niemals irgendetwas weiß, niemals wächst, niemals riecht, küsst, schmeckt …
Und dann, zwischen all den Gedankensplittern, höre ich ein Geräusch, das klingt wie ein Schreien, eine Maschine, die wild aufheult – näher, näher – andere Stimmen – blau, rot – das Schreien jetzt direkt neben mir.
Ich spüre, wie seine Hände von mir ablassen – als ob man sie weggezogen hätte, so schnell wie ein Pflaster –, und dann sind da andere Hände. Tränen rollen meine Wangen herunter, Schluchzer schütteln mich so stark, dass ich nichts hören, nichts sehen kann. Aber diese neuen Hände – sie richten mich auf – sie ziehen mich heran – ich weiß nicht, was, ich weiß nicht, wer oder wie oder warum. Ich weiß nicht, was geschieht.
Plötzlich: Pinien, Schnee, Nelken, Gras – Flynts Geruch, überall, er hüllt mich ein. Vielleicht ist am Ende doch etwas. Vielleicht ist da Erinnerung, Erinnerung an den Menschen, den du geliebt hast, als du noch lebtest. Vielleicht ist das dieses Weißes-Licht-am-Ende-des-Tunnels-Ding, und ich strebe darauf zu, und es kommt auf mich zu, bis wir eins werden.
Flynt.
Flynt umarmt mich, und ich verstehe immer noch nichts. Ich weiß nicht, ob ich lebe oder tot bin oder irgendwo dazwischen. Ich verberge mein Gesicht an seiner Schulter. Die Geräusche um uns herum sind winzig, kleine panische Inseln, ganz weit weg – Schreien, Klicken, Knallen, heulende Sirenen. Ich versuche zu sprechen, aber mein Mund ist genauso verschwommen wie meine Augen, und Flynt macht immer nur schsch-schsch-schsch , immer wieder, und «Lo. Oh Gott. Lo, du bist in Sicherheit. Du bist in Sicherheit. Du bist in Sicherheit.» Und er streicht mir übers Haar, und seine Finger fühlen sich so gut an. So real.
Ich hebe den Kopf von seiner Schulter und sehe ihn an – er schluchzt und schaut mich an – wir weinen beide – riesige, fette Tränen, die Streifen über sein Gesicht ziehen, sein wunderschönes Gesicht. «Lo.» Das ist alles, was er sagen kann, immer und immer wieder. «Lo. Lo. Lo. Oh Gott.»
«Flynt.» Ich würge es hervor, irgendwie, und es fühlt sich gut an – wie meine Stimme vibriert, wenn ich seinen Namen sage. Unsere Körper zittern gemeinsam in der Dunkelheit, in der Aprilkälte, in diesem einzigen, gedehnten Augenblick, in dem jeder Geruch, jedes Geräusch, jede einzelne salzige Träne, die in meinen Mund rollt, so lebendig und perfekt ist, dass ich endlich sicher bin: «Ich lebe», weine ich an seiner Brust. Er drückt mich fester an sich und zittert.
«Du lebst.» Er riecht so gut. So gut. «Du lebst.»
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Kapitel 31
«Bin gleich zurück», sagt Officer Gardner. Das Surren der Cleveland-Polizeistation dringt durch die Ritzen der Bürotür, eine Symphonie um uns herum. «Brauchst du noch etwas? Eine Extradecke oder so?» Flynt und ich schütteln verneinend den Kopf, und sie lächelt, zieht die Bürotür sanft hinter sich zu. Es ist komisch, dass es sich jetzt so anders anfühlt, hier zu sein, mit Flynt, heißem Kakao und einer Fleecedecke um die Schultern.
In meinem Kopf ist immer noch alles verschwommen: die blauen und roten Lichter der Polizeiwagen, die auf dem Asphalt blinken, auf der kahlen Fassade von Gordons Lagerhaus, die Polizisten, die Kommandos brüllen und mit ihren Waffen fuchteln, mit Handschellen und Lichtern. Das Metall an meiner Schläfe, Gordon Jones’ schattenhaftes Gesicht im hinteren Teil des schwarzen Lieferwagens, seine geröteten Augen. Halt ihr die Augen zu, Frank. Immer noch höre ich, wie er diesen Satz sagt.
«Wie … wie hast du mich gefunden?», flüstere ich.
Flynt hält inne, legt mir dann seine Hand in den Nacken und malt kleine Kreise dort, wo der Schädel beginnt. Ihre Gleichförmigkeit beruhigt mich. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich finden würde », gesteht er, seine Stimme ist ein Windhauch, wie Regen, der auf ein Dach trommelt. «Ich habe deine Nachricht bekommen. Ich … Lo … ich … ich hätte bei dir sein müssen – ich hätte dir helfen sollen …» Er küsst mich auf den Scheitel. Ich bekomme eine Gänsehaut. «Der Prophet. Er hat es mir gesagt.» Die Stimme bleibt ihm in der Kehle
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