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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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streichen über die Narbe über meinem Auge – der Moment, bevor wir uns küssen, dieser geduldige, perfekte Moment. Er weiß nichts. Er wird mich nicht mehr richtig kennenlernen, und ich ihn nicht. Niemals seinen echten Namen erfahren.
    Es war mein erster Kuss. Und mein letzter Kuss.
    «Willst du noch mal für mich tanzen … Penelope? Bevor ich dir eine Kugel durch den Kopf jage? Ein letztes Mal?» Ich rolle mich vor der Tür zusammen, so weit von ihm entfernt wie möglich, aber das ist immer noch viel zu nah. Er stößt den Atem durch die Nase aus; er wischt sich Speichel von den Lippen. Er kennt meinen echten Namen. Er weiß alles. Mein Hirn scheint sich in meinem Schädel zu drehen. Es fühlt sich an, als ob es ganz weich wird, sich darauf vorbereitet, von einem Zentimeter blitzschnell fliegenden Metalls zerteilt zu werden.
    «Das ist alles deine Schuld», sagt er und schüttelt den Kopf, als wäre ich eine Schülerin, die durch die Matheprüfung gefallen ist. Enttäuscht. «Wir haben dir gesagt, dass du wegbleiben sollst. Wir haben dich gewarnt. Und nun …» Er krempelt sich die Ärmel seines schicken Oberhemds hoch. Auf seinem Unterarm ist ein dunkler Fleck: ein Tattoo. Ein Anker-Tattoo. «Nun, jetzt habe ich keine Wahl. Ihr bescheuerten Nutten lasst mir nie eine Wahl, oder?»
    Als wir unter einer Straßenlaterne hindurch fahren, blitzt die Uhr an seinem Handgelenk auf. Plötzlich findet ein weiteres Puzzleteilchen seinen Platz. Ich keuche: «Ihre Armbanduhr – Mario hat sie auf dem Markt zusammen mit Sapphires Sachen angeboten …» Ich bemühe mich um die Wahrheit, um Klarheit, um etwas, woran ich mich halten kann. «Er kannte Sapphire und Sie …»
    Ein Bild blitzt auf: Marios rot gefärbtes Haar und sein verwirrter Gesichtsausdruck, als er mir die Armbanduhr wieder aus der Hand nahm, damals auf dem Flohmarkt. Die ist nicht zu verkaufen.
    «Dieser kleine durchgeknallte Bastard hat seine Nase in meine Angelegenheiten gesteckt. Hat versucht, mich zu erpressen. Also hab ich ihn umlegen lassen.» Gordon hält kurz inne und fährt dann mit flacher, lebloser Stimme fort: «Unangenehm, aber notwendig. Noch so einer, der schlafende Hunde aufwecken wollte. Oder, in diesem Fall, schlafende Schlampen …» Er lächelt halb, das leuchtende Rot der Rücklichter verschmilzt mit seinem Gesicht, unheimliche Schatten blühen um seine Augen. Da legt sich der Wagen in eine Kurve, fährt von der Autobahn ab, rast eine enge Rampe hinunter. Die Luft heult auf um uns herum, es klingt wie ein Schrei.
    Wir rucken. Zischen. Scheren aus. Der Himmel ist ein dunkler Tunnel ohne Licht am anderen Ende. Ich lecke mir das getrocknete Blut von den Lippen. Mit lautem Quietschen biegt der Wagen auf einen offenen Parkplatz und macht einen letzten Ruck, dann bleibt er stehen.
    «Versuch bloß nicht abzuhauen, hübsches Mädchen. Ich hab eine Waffe in der Tasche», sagt er und lächelt mich an – perfekte Zahnreihen, alles an der richtigen Stelle, keine einzige Lücke. «Und du brauchst auch gar nicht zu schreien. Hier hört dich sowieso keiner.»
    Zähne. Sie tanzen um mich herum, wie eine Revuenummer in meinem Kopf. Blut. Immer noch auf meinen Lippen. Ich lecke. Drei Mal. Noch mal drei Mal. Er öffnet die Autotür mit einer Hand und legt die Finger seiner anderen Hand fest um mein Handgelenk, zieht mich hinter sich her, zu ihm hin. Es fühlt sich an wie ein steifer Tanz, und ich würde mich am liebsten übergeben. Aber ich kann nicht – alles ist viel zu eng in meinem Körper, ich stehe noch unter Schock.
    Bald bin ich an einem Ort, wo alles weiß und leer ist, und ich werde nicht mehr am Leben sein. Die Vorstellung ergibt keinen Sinn: Im einen Augenblick zu leben und im nächsten tot zu sein. Tot. Keinen Sinn keinen Sinn keinen Sinn. Unsinn. Unlebendig.
    Ich kann kaum etwas sehen. Nur ein paar dünne Streifen Licht dringen aus dem mehrstöckigen Lagerhaus vor uns – Jones Industriechemie Transporte Nr. 6 .
    Sprich mit ihm. Sprich mit ihm. Das ist die einzige Chance. «Der Türsteher!», schreie ich seine viel zu nahe Brust an, «Sie haben ihn reingelegt, oder?» Ich versuche, mich loszumachen, er zieht mich zu sich heran.
    Ich erinnere mich: Vinnies große rote Nase. Er grinst mich durch den Vorhang des Séparées im Tens höhnisch an. Mr. Jones, brauchen Sie ein anderes Mädchen? Gordon, wie er grinst und antwortet: Nein, Vin. Ich hab schon ein Mädchen, danke sehr. Dann, auf dem Bürgersteig in der Nähe unseres Hauses,

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