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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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Banane.

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    Kapitel 6
    Ich glaube, ich zittere, denn Flynt legt mir die Hände auf die Schultern und versucht, mich zu beruhigen, genau wie meine Mutter, als ich noch klein war. Er führt mich zurück durch den geheimen Vorhang, wo ich so leise wie noch nie tip tip tip, Banane klopfe, und raus auf die Straße trete.
    Flynt sagt, dass er mich zu einem besseren Ort bringen wird, zu einem Ort, von dem er weiß, dass er mir gefallen wird. Wir gehen durch die schmale Gasse, und ich versuche ihm davon zu erzählen, was ich gesehen habe – von den Jungen.
    «Lo, hey, ist ja gut, du hast dich erschreckt. Du bist einfach nicht an die Leute hier gewöhnt.»
    «Ja, vielleicht», sage ich, obwohl ich es nicht glaube. Ich bin nicht so naiv zu denken, dass das, was ich da drüben gesehen habe, in Ordnung wäre – dass die Leute nun mal so seien .
    «Sieh mal, du musst das verstehen. Es ist anders hier. Wir haben nichts zu verlieren. Wir gehören nicht zu der anderen Welt, zu der toten Welt mit all ihren Fernsehern und der ganzen Technik. Wir sind einfach lebendiger. Wir sind die Plünderer. Die Falken, weit oben am Himmel, die mit ihren riesigen Schwingen auf die Erde herunterschießen, wenn ihnen danach ist. Verstehst du, was ich meine?»
    Flynt atmet tief durch und beobachtet mich, seine Wangen röten sich in der Kälte.
    Ich starre seine Bärenohren an, dann schaue ich in seine blau-grün-goldenen Augen. Plötzlich wallt Zorn in mir auf. «Und was ist, wenn Leute wirklich sterben? Gehört das auch zu deiner schrägen Vorstellung von Spaß? Fühlst du dich dann umso lebendiger?»
    Flynts Stimme ist ganz leise. «Ich verspreche dir, dass du den nächsten Ort mögen wirst, den ich dir zeige, okay? Keine Trommelsessions. Wir sind schon fast da.»
    Ich laufe weiter hinter ihm her, obwohl meine Wut noch nicht ganz verraucht ist, sie schwelt noch immer in mir. Er hört mir gar nicht zu, es ist ihm egal. Er interessiert sich nur für schönen Müll.
    Wir schlängeln uns durch enge Gassen und um scharfe Ecken und gehen breite Straßen entlang, bis wir an einem hohen Gebäude ankommen – hoch im Vergleich zu den anderen Häusern in Neverland –, und Flynt hebelt das Schloss an der Hintertür auf. Ich tippe drei Mal hintereinander und sage drei Mal Banane . Meine Wut verwandelt sich langsam in heiße Scham, ich bete, dass er es nicht merkt. Falls er etwas mitbekommt, sagt er wenigstens nichts.
    Drinnen ist es dunkel, aber weil die Tür noch offen ist, sehe ich, dass sich ein paar Meter von uns entfernt eine Treppe zum nächsten Stockwerk hochwindet.
    «Hier hat vor ziemlich langer Zeit mal jemand gewohnt, der ganz schön reich war. Plünderer haben das Haus ausgeräumt. Nur die Treppe ist übrig geblieben.» Er springt auf die unterste Stufe. «Sei vorsichtig, wenn du hochsteigst. Es gibt ein paar lose Stellen, und einige Stufen sind nicht mehr ganz stabil. Oh, und dann gibt es natürlich noch ein Monster hier irgendwo, ein Treppenhausmonster. Nimm dich vor seinen gruseligen Fangarmen in Acht.»
    «Ich glaube, das schaffe ich schon, Flynt.» Ich steige hinter ihm die Treppe hoch und taste mich vorsichtig über die zerbrochenen oder fehlenden Bretter.
    «Es wäre doch echt bescheuert, wenn du vom Treppenhausmonster gefressen würdest. Wahrscheinlich würde die Polizei von Cleveland in dem Mordfall ermitteln und mich befragen, und um ehrlich zu sein, bezweifle ich, dass sie mir glauben würden, dass dich ein Treppenhausmonster gefressen hat. Wenn sie sich überhaupt die Mühe geben würden hierherzukommen, meine ich», fügt er hinzu, und obwohl er es in einem leichten Tonfall sagt, klingt es irgendwie hart. Ich muss an Sapphire denken. Ob er wohl auch an sie denkt? Oder an andere Fälle, andere Neverland-Kinder, die niemanden haben, der sich um sie kümmert.
    Wir schaffen es bis nach oben, ohne von Monstern gefressen zu werden. Das winzige Fenster dort lässt gerade genug Licht durch, damit Flynt die gefrorene Türklinke erkennen und an ihr rütteln kann, bis sich die Tür öffnet.
    Wir treten heraus auf ein großes flaches Dach. Neverland und ganz Cleveland und sogar die bunten Vorstadtflecken in der Ferne breiten sich vor uns aus – kreischpink und orange und gelb im schwindenden Sonnenlicht. Von hier aus sieht Neverland und ganz Ohio schöner aus, als ich es je für möglich gehalten hätte.
    Flynt hatte recht. Das hier ist ein guter Ort. Der Nebel in meinem Kopf beginnt sich jetzt zu lichten. Vielleicht

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