Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
Vom Netzwerk:
habe ich mich wirklich einfach nur erschrocken. Ich sehe sieben Kirchtürme und vier Kuppelbauten. Sieben ist eine schlechte Zahl, und ich drehe mich einmal im Kreis, bis ich noch einen Kirchturm ganz weit weg entdecke, der in der untergehenden Sonne rötlich leuchtet. Acht und Vier – beides scheußliche, stickige Zahlen – aber Zwölf, auch wenn sie nicht immer so vollkommen ist wie Neun, lässt mich wieder atmen. Zwölf ist gut für Gebäude. Zwölf ist solide und sicher.
    Flynt tritt zum Rand des Daches und breitet seine Arme weit aus, als wäre er eine Pflanze, die sich der Sonne entgegenreckt. Ich stelle mich zu ihm und schaue ihn an.
    «Wo wohnst du eigentlich?» Mir ist aufgefallen, dass er mir das noch gar nicht erzählt hat.
    «Ich ziehe hierhin und dorthin.» Flynt zuckt die Achseln. «Alle zwei, drei Monate suche ich mir ein neues Plätzchen. Ich bin seit fünf Jahren auf mich selbst gestellt, seit ich dreizehn war, also bin ich inzwischen ziemlich gut darin. Im Herumziehen, meine ich.» Seine Augen glitzern.
    Das Dach ist mit etwas Schwarzem, Gummiartigem bezogen, das sich in Fetzen ablöst. «Und wieso bist du auf dich selbst gestellt, seit du dreizehn warst?»
    «Ach, weißt du. Ich war bereit, fortzuziehen, in Houston hat mich nichts mehr gehalten. Dreizehn ist in unserer Familie schon ziemlich erwachsen.» Er hockt sich hin und beginnt, kleine Kieselsteine auf das gegenüberliegende Hausdach zu werfen.
    «Ja, aber was ist mit deinen Eltern? Haben die dich einfach gehen lassen?»
    «Die haben sich nicht mehr um mich gekümmert. Das war keine große Sache.» Er schaut kurz weg, vielleicht erinnert er sich. Dann wendet er sich wieder mir zu und lächelt breit breit breit. «Die Aussicht vom Dach ist ziemlich toll, oder?»
    «Ist das nicht ziemlich lästig? Ständig alles zusammenpacken zu müssen, um weiterzuziehen?», hake ich nach, obwohl ich natürlich weiß, dass es genau so ist. Schließlich habe ich es mein ganzes Leben lang so machen müssen.
    «Eigentlich», antwortet Flynt, «ist es gar nicht so schlimm. Ich habe eine Tasche mit den wichtigsten Dingen, und wenn ich abhauen muss, suche ich mir eben einen neuen Ort, an dem ich so lange bleibe, bis ich wieder das Gefühl habe, weiterziehen zu müssen. Eigentlich ein schönes Leben, wirklich.»
    «Aber was ist mit zum Beispiel Schule und so?» Ich muss schlucken, weil ich merke, dass ich mich genauso anhöre wie meine Mutter. Oder so, wie sich meine Mutter anhörte, bevor sie sich für immer in ihr Schlafzimmer verkroch.
    «Neverland ist ein sehr lehrreicher Ort», sagt Flynt und zwinkert mir zu. Ich kenne niemanden, der so ausdauernd lächeln kann. «Aber eigentlich habe ich vor, bald für immer wegzuziehen. Vielleicht in Richtung San Francisco. Vielleicht Portland. Ich verwandele mich in Asche und lasse mich von den Westwinden ans Meer tragen. Da setze ich mich wieder zusammen. Wie ein Phönix. Oder eher wie eine Möwe mit der Empfindsamkeit eines Phönix.»
    Musik dringt aus einer Bar unter uns nach oben: ein langsamer, stetiger Beat, eine schwache Geige, Gitarrenklänge wie Sirup. Flynt steht auf und bewegt die Arme wie Flügel auf und ab. Er schnappt sich meine Hand, zieht mich zu sich und wirbelt mich einmal herum.
    «Du bist eine ziemlich gute Tänzerin», sagt er. «Wetten, das hast du nicht gewusst? Genau wie du keine Ahnung hattest, dass du eine gute Bowlerin bist, toll auf dem Windspiel spielst und dass du schön bist?»
    Schön. Dieses eine Wort lässt alle anderen in meinem Kopf vertrocknen. «Ich – ich bin nicht –»
    Er fällt mir ins Wort. «Wofür steht Lo?» Er dreht mich von sich fort und zieht mich wieder zu sich hin.
    «Penelope.»
    «Penelllllopeeee.» Er singt meinen Namen. «Das gefällt mir. Das ist irgendwie cool, altmodisch oder so.»
    «Es war der Name meiner Großmutter mütterlicherseits», erkläre ich. Er dreht mich wieder zu sich, legt mir dann die Hand auf den Rücken und macht ein paar Walzerschritte. Obwohl ich eine Gänsehaut bekomme, weiche ich nicht zurück, sondern plappere weiter: «Meine Eltern haben erzählt, dass ich ganz dicke dunkle Haare hatte, als ich auf die Welt kam, genau wie sie. Erst wollten sie mir einen anderen Namen geben, aber als sie mich zum ersten Mal sahen, waren sie sich ganz sicher, dass ich sie war, wiedergeboren.» Er stupst mich an. Ein elektrischer Stoß fährt meinen Rücken hoch. «Meine Eltern sind ein bisschen merkwürdig», fahre ich fort. Ich spüre, dass Flynts

Weitere Kostenlose Bücher