Schmetterlingsjagd (German Edition)
meine Hand und entlässt einen Freudenschrei in die dünne Nachtluft.
Und sofort durchströmt mich ein gutes Gefühl. Vielleicht treffe ich morgen in der Mädchentoilette wieder auf Keri Ram. Sie macht ihr Haar, und ich tupfe Abdeckcreme unter meine Augen. Ist gestern Nacht ein bisschen spät geworden , werde ich sagen und mit den Achseln zucken. Ich war mit meinem Freund aus, mit Flynt. Wir haben eine Pizza gegessen in einem Lokal in Neverland, das rund um die Uhr geöffnet hat. Oh, das kennst du gar nicht? Kann wirklich ziemlich cool sein. Wenn man da die richtigen Leute kennt, meine ich.
Ich laufe durch die kalte Nacht hinter ihm her, ein paar verlassene Wohnblocks entlang, bis wir an einer rostigen alten Bude ankommen. Er klopft: vier Mal schnell, dann drei Mal langsam. Ich klatsche unter meiner Jacke leise sieben Mal in die Hände, damit es passt, bevor ich einmal tip tip tip, Banane klopfe. «Was hast du gerade gesagt?», fragt Flynt und bläst auf seine kalten Fäuste.
«Ich … nichts.» Meine Wangen glühen. Zum Glück geht Flynt nicht weiter darauf ein.
Ein Typ mit einer Frisur, die aussieht wie ein schmutzig blonder Atompilz, öffnet endlich die Tür. Er nickt Flynt kurz zu und gibt ihm einen Begrüßungsklaps auf die Schulter. Dann zeigt er auf einen Tisch in der Ecke des Raumes.
Drinnen sieht es aus wie in einem gemütlichen kleinen Cottage. Es gibt einen Holzofen für Pizza und sechs kleine Tischchen, die alle irgendwie in den winzigen Raum gequetscht wurden. Über allem liegt der Geruch von Rauch und Teig und tausend köstlichen Dingen. Bunte Weihnachtslichter hängen in Bündeln von der Decke. Der Boden ist schwarz-weiß gekachelt wie in einem alten Diner.
Flynt legt seine Hand auf meinen Rücken und schiebt mich vorwärts. Mein Atem stockt bei seiner Berührung. Seine Finger fühlen sich lang und fest und warm an.
«Ganz schön cool, oder?», fragt er mich, als wir uns setzen und die Hände auf die grobe Tischplatte legen. «Das hier kennen nur wenige Leute. Ich komme immer her, wenn ich Geld habe. Und dann gebe ich es aus für Pizza und riesige Eisbecher.»
«Gut, du reicher Sack», sage ich. «Ich bin nämlich plötzlich sehr hungrig.»
Wir warten auf unser Essen – Quattro Formaggi, Pilze, Oliven, Basilikum –, und Flynt schiebt seine Hand immer weiter zu mir herüber. «Weißt du, Lo, wenn du das nächste Mal in Neverland herumlaufen willst, solltest du mir vorher Bescheid sagen. Es ist nicht sicher hier.»
Ich ziehe meine Hand weg und stecke sie in meine Jackentasche, taste nach dem Schmetterling und reibe ihn zwischen meinen Fingern. Der Pferdchenanhänger an meiner Brust fühlt sich ganz heiß an. Mein Misstrauen wallt wieder auf. Ist er nur besorgt, oder soll das eine Warnung sein? Ich muss wieder an den blutbespritzten Zettel denken: Jetzt weißt du, was Neugier anrichten kann. Sei vorsichtig, oder du endest wie diese Katze.
«Alles okay mit mir, Flynt», sage ich steif. «Ich kann auf mich selbst aufpassen.»
«Ich sag’s ja nur. Es gibt ein paar ziemlich zwielichtige Leute hier. Für mich ist das kein Problem, die Leute kennen mich und lassen mich in Ruhe.»
Plötzlich geht mir auf, dass auch Flynt hier jeden zu kennen scheint. «Kennst du eigentlich jemanden, der Bird heißt? Vogel?», platze ich plötzlich heraus, wie ein Schuss in der Dunkelheit.
«Hmmm.» Flynt legt einen Finger ans Kinn, die fleischgewordene Nachdenklichkeit. «Kann ich nicht sagen. Ich kenne einen, der sich Rabe nennt – der ist echt cool, ein toller Graffiti-Künstler, du solltest dir seine Sachen mal anschauen – und eine Verrückte namens «Die Eidechse». Eidechsen sind natürlich Reptilien, auch wenn sie und ihre gefiederten Freunde womöglich gemeinsame Vorfahren haben, so wie die Dinosaurier.» Das alles sagt er, ohne auch nur ein einziges Mal Luft zu holen. Jetzt atmet er tief ein. «Warum fragst du?»
«Einfach so», sage ich. Er hebt die Augenbrauen, und ich setze hinzu: «Hat mit Sapphire zu tun. Jemand, der sie kannte.»
Plötzlich sieht er gequält aus. «Hör mal, Lo, bitte versprich mir, vorsichtig zu sein.» Er beugt sich vor. «Ich sage das nur, weil ich mir um dich Sorgen mache, okay?» Seine Worte klingen hastig.
Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich weiß nicht, was ich antworten soll.
Zum Glück kommt genau in diesem Moment der Kellner mit der Pizza. «Also, was hast du noch über Sapphire herausgefunden?», fragt Flynt in normalem Tonfall. Die Pizza liegt auf einem
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