Schmetterlingsschatten
lachte sie. Es klang etwas unsicher. »Hat er dich endlich rumgekriegt, ja?«
»Hm, nein, eigentlich nicht.« Elena bekam ein schlechtes Gewissen. Viv war ihre beste Freundin, sie sollte sie nicht so anlügen. Aber irgendwie wusste sie, dass Vivienne das Treffen mit Tristan nicht gutheißen würde.
»Du schwindelst«, neckte Vivienne, aber sie klang gekränkt. »Na gut, wenn du mir nicht sagen willst, was los ist, dann geh ich halt mit Michelle in den Zoo.«
»Tut mir leid.« Elena wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. »Morgen vielleicht?«
»Nee, morgen muss ich zum Saxofonspielen. Wir versuchen es Mittwoch, okay?« Elena konnte Viviennes Enttäuschung hören.
»Okay, Mittwoch.«
»Tschau.«
»Bis dann.« Sie legte auf und atmete tief durch. Sie wusste, dass Viv ihr nicht lange böse sein würde. Elena kannte sie. Morgen war bestimmt alles wieder in Ordnung.
Elena öffnete ihren Kleiderschrank. Warum hatte sie noch nie gemerkt, dass sie so unendlich viele langweilige Klamotten besaß, aber nichts, was richtig… cool aussah? Und warum sollte mir das überhaupt etwas ausmachen? Ich bin doch keine Barbiepuppe. In einem Anfall von Trotz suchte Elena ihre alte Trekkinghose heraus, die sie in Afrika getragen hatte, und zog ein einfaches schwarzes T-Shirt darüber. Die Hose war ein bisschen kurz, aber wenigstens fühlte sie sich in diesen Klamotten sicher. So bin ich eben, wenn es Tristan nicht passt, dann soll er Mella zum Eis einladen,dachte sie, während sie sich im Spiegel betrachtete und nach kurzem Überlegen wenigstens ein-, zweimal mit der Bürste durch ihre widerspenstigen Haare fuhr. Zufrieden nickte sie ihrem Spiegelbild zu.
Sie stopfte einen Geldbeutel in die Seitentasche der Hose und machte sich dann auf den Weg.
Die Markise vor Dammars Eisdiele leuchtete grellgelb und grün im Mittagssonnenlicht. Alle Außentische waren natürlich besetzt. Die halbe Schule hing herum, die Füße auf das kleine Mäuerchen gestützt, lachend, Eis schleckend, in Gespräche vertieft. Als Elena herüberschlenderte, sahen manche von ihnen auf und betrachteten sie einige Augenblicke länger, als nötig gewesen wäre. Entnervt wandte sie ihren Blick von ihnen ab und sah sich nach Tristan um.
Es war schon nach drei. Hatte er es am Ende doch nicht ernst gemeint? Schickte er sie absichtlich hierher, wo alle sie anstarren konnten? Oder rief er nur eben seine Clique zusammen, damit sie gemeinsam über Elena herziehen konnten. Elena schüttelte den Kopf, schon wieder ärgerlich. Warum musste sie immer das Schlimmste von anderen denken? Andererseits waren es meistens die Jungen aus Tristans Clique, die Timo am schlimmsten zusetzten. Wenn er nun genauso war?
»Hey.«
Elena drehte sich um. Tristan schwang sich vom Sitz eines meerblauen Motorrollers und lächelte sie dabei an. »Sorry, dass ich so spät dran bin. Unser Lehrer hat überzogen.«
Eine Welle der Erleichterung durchlief sie. Er hatte sie nicht sitzen lassen. Am liebsten hätte sie ihn angelächelt. Stattdessen nickte sie lässig. »Schon okay.« Sie deutete mit dem Kinn auf den Roller. »Deiner?«
»Jepp.« Er grinste. »Nicht schlecht, was?«
Elena nickte wieder und schluckte. »Meine Schwester hatte auch so einen. In Gelb.« Sie hätte nicht geglaubt, das so leicht über die Lippen zu bringen. Vor allem nicht nach der letzten Zeit. Sie biss sich auf die Unterlippe und schwieg. Fing sie jetzt selbst damit an? Sicher würde er den Faden aufnehmen und sie nach dem Unfall und dem fremden Mädchen fragen. Die Erinnerung würde wiederkommen und Elena hätte sich den ganzen Nachmittag verdorben.
Doch zu ihrer Überraschung sah er nur zur Eisdiele hinüber. »Ziemlich voll, was?«, meinte er. »Wollen wir uns ein Eis mitnehmen und ein Stück spazieren gehen? Das dauert bestimmt ewig, bis hier ein Platz frei wird.«
»Okay.« Sie war immer noch verwundert, ließ es sich aber nicht anmerken.
Tristan kaufte ihnen beiden je eine Monster-Eiswaffel mit vier Kugeln, dann schlenderten sie eisessend die Straße hinunter in Richtung Waldspielplatz. Sie sprachen nicht viel. Elena genoss es, einfach so ruhig neben jemandem herzugehen, der zur Abwechslung mal nicht an das tote Mädchen zu denken schien. Tristan warf ihr ab und zu einen Seitenblick zu und lächelte sie an. Als es zum dritten Mal geschah, lächelte sie zurück. Ein warmes Gefühl durchlief trotz des Eises ihren Bauch und Stolz erfüllte sie. Hier ging sie, Elena Henn, mit dem begehrtesten Jungen der Schule und
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