Schmetterlingsschatten
dem schien das sogar zu gefallen.
Am Spielplatz angekommen, ließ Tristan sich auf eine Reifenschaukel fallen und ignorierte das Protestgeschrei der kleineren Kinder.
»Also, was machst du so, wenn du nicht mit älteren Jungen ausgehst?«, fragte er Elena. Seine Augen funkelten und er lächelte schelmisch.
Elena suchte für einen Moment nach Worten. Was sollte sie darauf antworten?
Sie hob die Schultern. »Nichts Besonderes, denke ich. Meistens hänge ich mit Vivienne ab, meiner Freundin, weißt du?«
»Die mit den Locken?«
Elena nickte. Beide schwiegen und aßen weiter an ihrem Eis. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, was er von ihr erwartete. Komisch, bei anderen hatte sie nie Probleme, ein Gesprächsthema zu finden, aber Tristan würde sich sicher nicht für ihre Schulgeschichten interessieren, oder?
»Was machst du denn so?«, fragte sie schließlich.
Er grinste. »Ach, auch rumhängen und so. Gibt hier ja nicht viel zu tun, so auf dem Land. Manchmal fahr ich mit ein paar Freunden in die Stadt, Kino und so. Oder wir feiern. Wir haben ein eigenes Klubhaus, das kennt außer uns keiner. Da können wir machen, was wir wollen.«
»Cool.« Sie meinte es ehrlich. Ihre Mutter ließ sie nie zu irgendwelchen Partys gehen, die auch nur annähernd interessant waren, sie hielt es für zu gefährlich.
»Willst du’s mal sehen?« Tristan stieß sich mit dem Fuß ab und schwang lässig auf dem Reifen hin und her.
»Ich? Klar. Aber…«, sie zögerte. Er sah so locker und entspannt aus, aber sie konnte sich nicht erklären, woher sein plötzliches Interesse an ihr kam. Bestimmt würde er früher oder später doch über das tote Mädchen sprechen wollen.
»Was aber?«
»Warum fragst du gerade mich?« Es war herausgerutscht, bevor sie es verhindern konnte. Verlegen lächelte sie ihn an.
Tristan lachte. »Siehst du, deswegen. Du bist cool. Nicht, wie die anderen Girlies, die hier so rumlaufen. Du sagst, was du denkst.«
Verwundert schüttelte Elena den Kopf. Meinte er das ernst? Sie cool? Vivienne war cool, aber sie doch nicht.
»Danke.«
Tristan ließ sich nach vorne schwingen und sprang aus dem Reifen. »Komm, ich zeig dir unser Klubhaus!« Wie selbstverständlich griff er nach ihrer Hand und zog sie mit sich. Seine Finger fühlten sich fest und warm und freundlich an. Elenas Magen schien sich zusammenzuziehen. Sie wusste nicht recht, was sie von alldem halten sollte.
Sie folgten dem Waldweg, der vom Spielplatz wegführte. Jetzt am Nachmittag war eine ganze Menge los, Jogger, Leute, die ihre Hunde ausführten und Mütter mit Kinderwägen. Elena fragte sich, wo hier ein verstecktes Klubhaus sein sollte. Doch Tristan führte sie immer weiter. Keinen Augenblick lang ließ er ihre Hand los. Die Wärme seiner Finger war nicht im Geringsten unangenehm, trotz der Hitze.
Elena begann, Gefallen an diesem Spaziergang zu finden. Die grelle Sonne drang nicht bis in den Schatten der Blätter vor und es war beinahe kühl zwischen den Bäumen. Ab und zu ließ ein Windstoß die Kronen rauschen.
Schließlich bogen sie in einen einsameren Seitenweg ein und folgten ihm bis zu einem Trampelpfad, den Tristan einschlug. Einen kurzen Moment war sie versucht, sich aus seinem Griff zu lösen. Sie war jetzt ganz alleine mit ihm und eigentlich kannte sie ihn kaum. Wer wusste schon, was er vorhatte. Doch sie wischte den Gedanken beiseite. Warum sollte er ihr etwas tun wollen?
Dichte Brombeersträucher rahmten den Weg und die Ranken verhakten sich in Elenas Hosenbeinen. Sie war froh, keine kurze Hose angezogen zu haben.
Sie erreichten einen Hochsitz, wo Tristan zum ersten Mal innehielt und ihre Hand losließ. »Warte einen Moment«, sagte er. Elena blieb stehen und beobachtete ihn neugierig.
Tristan schlüpfte hinter den Hochsitz und schob ein paar Zweige zur Seite. »Bereit zum Eintreten, Madame«, sagte er. Neugierig trat Elena näher. Hinter den Büschen, die – wie sie jetzt sehen konnte – angepflanzt worden waren, schlängelte sich ein weiterer kleiner Pfad zwischen den Bäumen dahin. Und am Ende dieses Pfades lag eine Blockhütte.
»Cool«, sagte sie wieder und schlüpfte zwischen den Zweigen hindurch auf den Pfad. Tristan folgte ihr beinahe lautlos.
»Ist eigentlich eine alte Jagdhütte«, erklärte er. »Patricks Großvater war Jäger, er hat sie gebaut, aber in letzter Zeit wurde sie gar nicht mehr benutzt, also hat Pat seinem Pa den Schlüssel geklaut und, voilà, unser Domizil.« Er griff wieder nach ihrer Hand und
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