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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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was ich so verpasst habe!»
    «Eine wunderschöne Schulzeit in Hannover», blökte ich, während er jetzt querfeldein lief.
    «Geht's auch detaillierter?», fragte er grinsend. «Wo warst du zum Beispiel im Ausland? In deinem Austauschjahr? Amerika? Oder England? Bei uns war sogar ein Junge in Neuseeland!»
    «Ist ja hochinteressant.» Ich warf ihm einen spöttischen Blick zu, während ich immer noch versuchte, mich aus seinem Klammergriff zu befreien. «Ich will nach Hause!»
    «Also? Wo warst du?»
    «Wenn du es genau wissen willst…», fauchte ich, weil er mir so furchtbar auf die Nerven ging und es mir mittlerweile völlig egal war, was er von mir dachte. «Ich war nicht im Ausland, ich hab ein Jahr in der Klapse verbracht!» Endlich hatte ich mich losgerissen.
    Lennard blieb abrupt stehen und sah mich an. «Was?»
    «Ich bin verrückt, schon vergessen?!», rief ich. «Die kleine Irre mit den Psychoaugen, die mit Gegenständen spricht!»
    Sein Mund klappte auf, wodurch er extrem dämlich aussah. Nicht mal das konnte sein Gesicht entstellen. Unfair. «Du bist nicht verrückt», sagte er, als er seine Fassung wiedererlangt hatte.
    «Klar bin ich das», antwortete ich und stapfte weiter durch das kniehohe Gras, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wohin wir eigentlich gingen. «Hast du selbst noch rechtzeitig erkannt», murmelte ich leise und starrte vor mir in die Wildnis.
    «Ich wusste nicht… Es tut mir leid, Ska.» Er klang ehrlich bedauernd, was es echt nicht besser machte. Im Gegenteil. «Schieb dir dein Scheiß Mitleid sonst wo hin! Bring mich lieber nach Hause. Wo sind wir hier überhaupt?!»
    «Du weißt es», sagte er und griff wieder nach meiner Hand. Dieses Mal sanfter und wesentlich behutsamer. Ich tat nichts dagegen, griff aber auch nicht zurück. So weit kam's ja noch. «Siehst du?» Er deutete mit der anderen Hand in Richtung der Bäume, die in einiger Entfernung von uns standen. Skeptisch beäugte ich sie und entdeckte den alten Jagdsitz zwischen ihnen. Irritiert starrte ich darauf, während Erinnerungen mein Gehirn fluteten. Wir waren ständig hier gewesen. Das war… das war unser Hochsitz.
    «Ich fass es nicht, dass das Ding immer noch steht», sagte ich und ging näher darauf zu. Das alte Holz sah morsch aus und war von Moos überzogen. Die Natur hatte es sich im Laufe der Zeit zu Eigen gemacht.
    «Kommst du mit hoch?», fragte Lennard, der hinter mir stand und mir über die Schulter sah.
    «Bist du irre?! Das Ding ist einsturzgefährdet!» Ich rückte von ihm ab und er sah mich ernst an. «Ich muss mit dir reden.»
    «Und das geht nicht hier unten?!»
    «Nein.» Er biss sich auf die Unterlippe. Probehalber trat ich gegen die Balken. Sie hielten. «Ich habe wirklich keine Lust, schon wieder drei Wochen oder mehr im Krankenhaus zu verbringen», maulte ich.
    «Geh du voran, dann fang ich dich auf, falls die Leiter irgendwo durchbricht.»
    Seufzend griff ich nach den glitschigen Balken und trat vorsichtig auf die unterste Sprosse. Es knarrte, aber es hielt.
    «Ich muss echt gestört sein», murmelte ich und kletterte weiter.
    «Bist du», lachte Lennard von unten. «Aber nicht auf die Art und Weise, dass man dich in einer Klinik heilen könnte.»
    «Ach und das weißt du so genau, ja?!» Ich nahm eine weitere Stufe. Hier oben wurde es schon ziemlich wackelig.
    «Wie war das eigentlich so?», fragte Lennard, der jetzt hinter mir auf der Leiter war. Sie hielt sogar uns beide zeitgleich. Schwer beeindruckend. Aber wer fing mich jetzt auf, wenn ich stürzte?
    «Was?»
    «In der Anstalt.» Er schob mich voran und ich trat nach ihm, aber er wich geschickt aus und lachte.
    «Nicht so, wie immer alle denken», seufzte ich und kletterte endlich über den Rand ins Innere des Holzbaus. Es war staubig und vermodert und ziemlich vollgekackt von irgendwelchen Vögeln. Unsicher setzte ich mich auf die kleine Bank in dem Raum.
    «Wieso bist du hingegangen?» Lennards Kopf tauchte im Eingang auf. «Ich nehme nicht an, dass du zwangseingewiesen wurdest, oder?»
    «Und wenn doch?», grinste ich. Er verdrehte die Augen und zog sich hoch.
    «Meine Mutter hat mich darum gebeten», erklärte ich schulterzuckend. Lennard nickte. «Deine Mutter hatte nie den richtigen Blickwinkel auf die Dinge.»
    «Aber du, oder was?!», fauchte ich, weil er wirklich kein Recht hatte, sich in irgendeiner Form über meine Mutter ein Urteil zu bilden. «Für wen hältst du dich eigentlich, du dreckiger, stinkender…» Es knarrte laut, als

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