Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
Vom Netzwerk:
das Gefühl, dass der Arm allmählich abstarb, weil kein Blut mehr dorthin durchkam.
    «Deine kleine Freundin ist los», zischte er. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Offenbar hatte Rachel versagt. Mich überkam blanke Panik. Nicht meinetwegen sondern ihretwegen. Mich brauchten sie, aber Rachel war ohne willigen Gehorsam entbehrlich. Sogar mehr als das. Sie war eine Bedrohung.
    «Ich weiß nicht, was da passiert ist», log ich in einem letzten verzweifelten Versuch uns zu schützen. Ich konnte nicht zulassen, dass sie ihr etwas antaten. Ich hatte sie erschaffen, es war meine Schuld, wenn ihr etwas passierte.
    «Ich kann deine Gedanken lesen, Drecksstück», fauchte er und schmetterte mich gegen die Wand, als wir um die Ecke bogen. Ich schlug frontal mit dem Gesicht auf dem harten Stein auf, weil ich das nicht vorhergesehen hatte. Ein widerwärtiges Knacken ertönte, als meine Nase an der Kante aufprallte und ein Schwall Blut schoss gemeinsam mit einem wahnsinnigen Schmerz über mein Gesicht.
    Benommen taumelte ich ein Stück zurück, ehe ich weiter vorwärts gerissen wurde. Nur verschwommen sah ich den Korridor, den wir entlang liefen. Vorsichtig tastete ich über mein Gesicht, ließ es aber ganz schnell wieder, als ich die Nase berührte und der Schmerz sich verstärkte. Sie fühlte sich geschwollen und schief an.
    Endlich erreichten wir offenbar unser Ziel, denn Martin schmiss mich mit einer letzten Bewegung durch eine Tür auf den Boden. Ich blinzelte verwirrt und sah mich in dem Raum um, der erst allmählich feste Konturen annahm.
    «Du solltest sie nur herbringen, Martin», hörte ich Alex‘ vorwurfsvolle Stimme aus einer der hinteren Ecken. Er stand nah bei Rachel, die gefesselt an der Wand stand, den Kopf hoch erhoben. Sie hatte immer noch ihren Stolz und obwohl es lächerlich war, war auch ich stolz auf sie. Sie hatte sich gut geschlagen und allein die Tatsache, dass sie Morten stark verletzt hatte, verschaffte mir Genugtuung.
    «Was kümmert dich das?!», fauchte Martin hinter mir. «Sie hätte fast Morten umgebracht, sie hat nichts anderes verdient!»
    «Ruhe!», ertönte die erschreckend ruhige Stimme von Morten. Er stand weiter vorne im Raum. Nein, er saß auf einem Stuhl und ließ sich offenbar von Charlotte verarzten. Ein tiefer Schnitt entstellte sein Gesicht und ein weiterer hatte seinen Arm halb abgetrennt. An seinem zerschlissenen und blutgetränkten T-Shirt erkannte ich, dass auch dort ein Treffer gelandet sein musste, aber offenbar war die Wunde bereits versorgt worden.
    «Dachtest du wirklich, du könntest mich betrügen?» Morten blitzte finster zu mir herüber und ich zuckte erschrocken zusammen, als sich wie von Zauberhand Eisenketten um meine Knöchel schlängelten und mich an die Wand rissen. Sie zogen sich viel zu eng zusammen und schnürten meine Haut ein. Das also war Mortens Kraft. Gegenstände zu bewegen, nur mit der Kraft seiner Gedanken. Meine eigene Gabe kam mir dagegen lächerlich nutzlos vor. Hier im Raum war zwar, im Gegensatz zu den meisten anderen Räumen, ziemlich viel Gerümpel, sodass ich problemlos irgendwas davon zum Leben hätte erwecken können, aber kaum hätte ich es zum Angriff eingesetzt, hätte Morten eins der anderen Sachen dagegen geschmissen. Das wäre ein ziemlich auswegloser Kampf, davon mal abgesehen, dass ich nicht besonders schnell darin war, Dinge zu erwecken und Martin meinen Plan wahrscheinlich vorher gepetzt hätte.
    Das blutige Schwert, mit dem offenbar Rachel den alten Mann attackiert hatte, schwebte wie von Zauberhand zu mir herüber und hielt kurz vor meiner Kehle inne.
    «Ich sollte dich auf der Stelle umbringen», fauchte Morten, während der Schnitt auf seinem Gesicht bereits verblasste. Offenbar besaß Charlotte ähnlich wirksame Medikamente wie Lennard.
    «Dann tu es», erwiderte ich kühl, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hatte mich schon so oft mit der Frage beschäftigt, wie es wohl wäre zu sterben, dass ich keine Angst mehr davor hatte.
    «Dafür bist du leider zu wertvoll», zischte er und das Schwert fiel klappernd zu Boden. Nur einen halben Meter von mir entfernt. Alles in mir sehnte sich danach, dieses Schwert zu ergreifen und die große Heldin zu spielen, aber selbst ohne meine Fesseln wäre es absolut ausweglos gewesen.
    «Du hast mich sehr enttäuscht, Louise», sagte Morten in einem Ton, der mich irgendwie sehr an meinen ehemaligen Deutschlehrer erinnerte.
    «Schaff sie mir aus den Augen und sorg dafür, dass sie sich

Weitere Kostenlose Bücher