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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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nicht zu wohl hier fühlt», fauchte er dann in Richtung Martin. «Ich muss mich jetzt darum kümmern, dieses Stück Scheiße zu zerschmettern.» Er stand auf und trat auf Rachel zu, während alles in mir aufschrie.
    «Nein», sagte Martin stattdessen und erleichtert atmete ich auf. Vielleicht war er doch einer von den Guten. Ein perfides Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er mich kurz ansah. «Lass sie dabei zugucken, ehe ich sie von hier fortbringe. Es wird ihr gefallen.»
    Angewidert sah ich den Jungen an, der so wenig Ähnlichkeit mit Lennard hatte, dass die Vorstellung, dass die beiden verwandt waren, mir völlig absurd vor kam. Jetzt wünschte ich mir, dass ich meine Gedanken für mich behalten hätte, aber es war zu spät.
    «Wie du meinst», sagte Morten schulterzuckend und griff sich eine Axt vom Boden. Offenbar war er persönlich beleidigt, sodass er die Waffe richtig mit Hand anfasste, anstatt sie für sich arbeiten zu lassen.
    Panik überkam mich und ich riss an meinen Handgelenken, um meine Arme irgendwie freizukriegen und ihr zu helfen. Rachel stand immer noch ganz ruhig da und lächelte Morten gehässig an. Dann flog ihr Blick zu mir rüber. Er war voller Verständnis und Sorge. «Du kannst entkommen», sagte sie in ihrer klaren, tiefen Stimme, ehe das Metall auf sie niedersauste und der Stein zersprang. Ich schrie, als es mich innerlich fast zerriss, während der Marmorkopf laut auf dem Boden aufschlug. Tränen stoben mir in die Augen und mir war grauenvoll übel.
    Als sich meine Fesseln lösten, sackte ich zu Boden und wäre am liebsten einfach dort liegen geblieben. Martins Fuß traf mich in den Magen, ohne dass ich es groß spürte, weil jedes andere Gefühl so viel stärker war.
    «Steh auf», drang seine Stimme nur allmählich bis zu mir hindurch. «Ich sagte, steh auf!»
    Ich reagierte nicht auf seinen Befehl, also riss er mich hoch und hievte mich auf die Beine. Irgendwie gelangte ich wieder in mein Zimmer, wo ich mich auf dem Bett zusammenrollen und in Ruhe weinen konnte.
    Obwohl Rachel nur kurz existiert hatte, traf mich ihr Verlust wahnsinnig schwer. Ich war so verzweifelt und verletzt, dass ich erst einige Stunden später darüber nachdenken konnte, wieso das so war. Ich konnte nicht behaupten, viel mit Rachel zu tun gehabt zu haben. Ich vermutete fast, dass es daran lag, dass ich sozusagen ihre Schöpferin war. Durch irgendetwas waren wir miteinander verbunden, etwas, das so stark war, das ihren Verlust fast unerträglich für mich machte.
    So etwas hatte ich nur gespürt, als meine Mutter mein ganzes Spielzeug verbrannt hatte. Damals war es mir nicht so schlimm vorgekommen, was vermutlich daran lag, dass ich vorher schon so viel anderes miterlebt hatte, sodass ich eh schon am Boden gewesen war.
    Ich hörte gar nicht, wie das Schloss geöffnet wurde und jemand den Raum betrat. Erst, als das Licht anging, wurde mir bewusst, dass sie zurück waren. Ich hatte keine Ahnung, was jetzt kam, aber es war immer noch dunkel draußen. Offenbar gönnten sie mir nicht einmal eine Nacht Ruhe.
    «Louise. Schläfst du?» Es war nicht die unangenehme Stimme von Martin, die mich aufhorchen ließ. Irritiert drehte ich mich auf die andere Seite um und sah Alex vor der geschlossenen Tür stehen. «Keine Angst, ich werde dir nichts tun», sagte er und der Satz aus seinem Munde kam mir entfernt vertraut vor. «Die anderen schlafen alle, ich konnte nicht früher herkommen.» Er ging in die Hocke und verzog das Gesicht. «Du siehst schrecklich aus», sagte er dann und legte einen Eisbeutel auf meine Nase. Die Kälte betäubte den Schmerz ein wenig.
    «Tut mir leid, ich kann nicht mehr für dich tun, ohne dass sie es merken», murmelte er dann verlegen. «Wenn du morgen aussiehst wie neu geboren, würde Martin mich lynchen.»
    «Wieso?», fragte ich, weil ich es nicht ganz verstand. «Wieso tust du das?»
    «Weil ich, auch wenn ich auf ihrer Seite stehe, nicht alles gutheiße, was sie tun oder wie sie es tun», erklärte er und half mir, mich aufzurichten. Er gab mir etwas zu trinken und wollte mich auch dazu überreden, etwas zu essen, aber ich bekam keinen Bissen hinunter.
    Mir tat immer noch alles weh, aber das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz und Kummer, der auf meiner Seele lastete wie schwarzer, zähflüssiger Teer, der alles andere ertränkte und unter sich begrub.
     

Kapitel 21
    «Papa, ich kann nicht mehr», stöhnte ich, weil mir die Luft wegblieb. Keuchend blieb ich stehen, stellte den

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