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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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menschlichen Bedürfnisse.
    «Wir sollten versuchen, ein wenig Schlaf zu kriegen», sagte Lennard nun und ignorierte genauso wie ich den Spruch der Putte. «Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe seit Tagen kaum ein Auge zugetan.»
    Ich nickte zustimmend und schlüpfte wieder aus den Schuhen und der Jeans, ehe ich mich zu ihm aufs Bett legte. Draußen war es immer noch hell, ich hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es genau war.
    «Es muss ganz schön mühsam sein, wenn man solch überflüssige Dinge wie Schlaf benötigt», überlegte Mercutio laut vom anderen Ende des Zimmers aus. Er hockte auf dem kleinen Tisch neben der schäbigen Couch und hatte die kleinen, wurstigen Hände auf den Knubbelknien abgestützt.
    «Es ist noch mühsamer, wenn eine nervige Putte redet, während man versucht einzuschlafen», gab Blaze zurück. Ich musste loslachen und Janus, der auf dem Fenstersims nach innen gelehnt stand, stimmte mit ein. Mercutio war natürlich direkt mal wieder eingeschnappt und drehte sich demonstrativ mit dem Rücken zu uns. Bodo hatte sich unter einem der frisch gewaschenen Handtücher verkrümelt. Ein Clown mit Waschpulvertick war irgendwie noch freakiger, als einer mit einer Vorliebe für Mathematik. Und einer, der beides hatte, war echt unheimlich.
    «Geht es dir gut?», fragte Lennard leise und ich drehte mich auf die Seite, um ihn ansehen zu können. «Ja», nickte ich. «Ich frage mich nur die ganze Zeit, wie dieser Graf, also mein Vorgänger sozusagen, damals gelebt haben mag.»
    «Ich weiß nicht viel darüber», antwortete er und schob seinen Arm unter sein Kopfkissen. «Soweit ich weiß, ist er als Adeliger geboren und aufgewachsen und hat seine Gabe erst relativ spät entdeckt. Entweder war er nicht so fantasievoll wie du oder es gab damals einfach nicht so unendlich viel Spielzeug, das er hätte erwecken können. Als er seine Fähigkeit entdeckt hatte, konnte er gar nicht mehr aufhören damit, Dinge zu erschaffen.»
    «Hat ihn das nicht geschafft?», fragte ich und zog die Decke höher über meine Schulter. «Er hat sie in den Krieg geschickt und er hat ihnen beim Sterben zugesehen. War ihm das völlig egal?»
    «Ich weiß es nicht, darüber wurde jedenfalls nichts berichtet. Lange hat er es eh nicht nutzen können, er ist nicht besonders alt geworden.»
    Ich zuckte innerlich zusammen. «Ich glaube, es hat ihn zerstört», flüsterte ich, weil ich die Vermutung bereits seit einigen Tagen hatte.
    «Was hat ihn zerstört?», fragte Blaze und richtete sich ein Stück auf.
    «Ich weiß es nicht mit Sicherheit», antwortete ich, weil ich ihm keine Angst einjagen wollte. Daher redete ich bewusst weiter von dem Grafen und nicht von mir selbst. «Aber ich glaube, dass jedes Mal, wenn er etwas zum Leben erweckt, ein Teil von ihm selbst dabei auf dieses Wesen übertragen wird. Mit jedem Krieger, der getötet wurde, starb dann auch etwas von ihm mit. Deswegen ist er so jung gestorben.»
    Blaze starrte mich an, ohne irgendetwas zu sagen.
    «Es ist nur eine Vermutung», fügte ich daher vorsichtshalber hinzu. «Aber es macht schon Sinn. Alles hat seinen Preis. Und für jedes gegebene Leben wird irgendwo auch etwas genommen.»
    «Wenn das wahr ist», sagte Blaze nun endlich. «Dann darfst du auf keinen Fall noch irgendetwas zum Leben erwecken, Ska.» Obwohl ich es hatte vermeiden wollen, konnte ich die Angst in seinem Gesicht sehen.
    «Ich mache das oft aber nicht absichtlich. Es passiert einfach.»
    «Dann musst du einfach besser kontrollieren, was du denkst!», rief er und sah mich verzweifelt an.
    «Beruhig dich», seufzte ich. «Ich werde schon darauf achten, keine Sorge. Aber solange ich keine Armee erwecke und in den Tod schicke, ist alles in Ordnung.»
    Lennard zwang sich offenbar selbst zur Ruhe und lehnte sich wieder zurück. Schweigend sahen wir einander an, ehe ich es nicht mehr aushielt und etwas ansprach, das ebenso heikel war: «Hast du schon mal jemanden getötet?»
    «Was?» Lennard sah mich überrascht an.
    «Du bist in diesen Krieg früher hereingezogen worden als ich», erklärte ich. «Und ich fürchte fast, dass man früher oder später keine Wahl mehr hat. Ich hätte Morten fast umgebracht, wenn auch nicht durch meine eigene Hand. Aber dennoch hatte ich es fest vor. Ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass es nicht funktioniert hat. Ich frage mich nur, was das für ein Gefühl sein muss.»
    «Es ist kein gutes Gefühl, glaub mir», antwortete Lennard nach einer Weile.
    «Also… hast

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