Schmetterlingsscherben
«Blaze?», fragte ich irritiert, kletterte aus dem warmen Bett und tapste barfuß über den kalten Boden zum Badezimmer hin. Ich klopfte und lauschte, aber als ich nichts vernahm, schob ich die Tür auf und stand erneut vor einem menschenleeren Raum.
«Der Herr hat bereits vor einiger Zeit das Gemach verlassen und diese impertinente Putte mit sich genommen», erzählte mir Janus, der immer noch auf der Fensterbank hockte.
«Hat er gesagt, wo er hin wollte?», fragte ich und strich mir die Haare aus der Stirn.
«Nein, Miss.»
Ich schlüpfte in meine neuen Schuhe, riss die Tür auf und lief hinaus auf den offenen Parkbereich der Anlage. Es war bereits am Dämmern, also musste es irgendwann am frühen Abend sein, aber Lennards Auto stand nicht mehr da.
«Scheiße.» Ich bekam richtig Panik. Keine Ahnung, wo er hin wollte, oder was auch immer er vorhatte. Aber mir wäre es lieber gewesen, er hätte mich aufgeweckt oder mich ins Auto getragen. Dass er mich hier zurückgelassen hatte, machte mir Angst. Wenn ihm unterwegs was passierte, war ich nicht in seiner Nähe um ihn zu beschützen, und wenn irgendwer mich hier aufgriff, würde er nicht wissen, wo er mich suchen musste.
Ich lief ein Stück bis zur Straße, um zu gucken, ob ich irgendwo sein Auto entdecken würde, aber da war nichts außer der einsetzenden Dämmerung und dem Wald, der das Motel umgab. Ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut und machte mich auf den Rückweg zum Motelzimmer, um mir wenigstens eine Hose anzuziehen, ehe ich richtig suchen gehen würde. Ich war fast an der Tür angekommen, als ich hinter mir Reifen auf dem Kies hörte und mich umdrehte. Erleichterung durchströmte mich und ich sah zu, wie Blaze den Wagen in eine der Parklücken manövrierte und ausstieg. Ein blonder, großer Junge, dem ich mehr vertraute als irgendjemandem sonst auf der Welt und der mein Herz schneller schlagen ließ, jedes Mal, wenn ich ihn wieder sah. Ich war so erleichtert ihn wiederzusehen, dass ich gar nicht erst wartete, bis er bei mir war, sondern direkt los rannte, mich in seine Arme stürzte und ihn küsste. Der Kuss schmeckte nach allem, wonach ich mich so sehr sehnte. Nach Geborgenheit und Freiheit und nach dem Leben selbst, und für einen Moment war alles andere um uns herum vergessen. Ich griff in sein Haar und zog ihn näher zu mir, weil ich ihn um Nichts in der Welt wieder loslassen wollte. Ich wollte alles und ich würde es nicht einfach so kampflos aufgeben.
«Ska! Hey!» Blaze schob mich sanft von sich und sah mich fragend an. Seine Wangen waren gerötet und sein Atem lag heiß auf meinen Lippen.
«Lass mich nie wieder allein», zischte ich und es klang mehr wie eine Drohung als wie eine Bitte.
«Nie wieder», versprach er atemlos, ohne mich ganz loszulassen.
«Meine Güte, da geht der Junge was zu essen holen und sie macht ein Drama draus, wie in einem schlechten Rosamunde-Pilcher-Film!» Mercutio stand neben mir und sah vielsagend zu uns hoch. Meine Gier verebbte für einen Moment und ich musste loslachen. «Du warst Essen holen?»
«Unter anderem», grinste Blaze. «Ich musste den Kopf ein bisschen freikriegen, tut mir leid. Ich dachte du schläfst noch, wenn ich wieder komme.»
«Ich hab gefroren, da bin ich aufgewacht.»
«Und anstatt dir eine Hose überzuziehen, läufst du lieber so nach draußen, um nach mir zu suchen?», fragte Lennard amüsiert und mir stieß die Röte ins Gesicht. Glücklicherweise ersparte er mir eine Antwort, griff nach meiner Hand und zog mich mit in Richtung der offenstehenden Tür. «Wir sollten gleich aufbrechen, wenn es dir recht ist», sagte er, als wir das Zimmer wieder betraten. Eigentlich war mir das nicht recht, ich hätte lieber die Crew auf einen langen Spaziergang geschickt und etwas Zeit mit ihm alleine verbracht, aber mir war klar, dass ich ihn davon nie und nimmer überzeugen konnte. Uns rannte die Zeit davon. Seufzend schnappte ich mir also meine neue Jeans.
«Ich habe nachgedacht», sagte Lennard, nachdem ich mich fertig angezogen hatte und wir die wenigen Sachen zusammengesammelt hatten. «Und ich denke, wir sollten einen kleinen Umweg einlegen, auch wenn wir dafür wieder näher nach Hoya heran müssen.»
«Was?», fragte ich überrascht und schulterte den kleineren Rucksack. «Ich dachte du willst nach England!»
«Will ich auch, aber sehr wahrscheinlich werden wir es nicht ohne einen weiteren Zusammenstoß mit einem unserer Verfolger schaffen. Ich möchte einfach vorbereitet sein und du
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