Schmetterlingsspiegel (Keshevra's Queendom) (German Edition)
Schwingen weit ausgebreitet und heftig schlagend. Sabrìanna entkam ein erschrockener Schrei, bevor sie sich an ihm festklammerte, doch was immer sie dagegen zu sagen hätte, dass er sie einfach so mitschleppte, ging unter in seinen lauten Flügelschlägen. Also sparte sie sich die Gegenwehr und konzentrierte sich darauf, sich an ihm fest zu halten, schloss die Augen, damit sie nicht so deutlich sehen musste, wie hoch sie eigentlich waren, und öffnete sie erst wieder, als er sie behutsam absetzte. Misstrauisch drehte sie sich zu ihm um. „Wo sind wir hier? Bei Herne?“ „Nein“, entgegnete der Drache, „das ist meine Höhle. Hier bist du in Sicherheit.“ „Ich kann mich hier nicht verstecken! Ich muss Herne sagen, was ich weiß! Dieser Hund ist eine Gefahr, das weiß ich ganz genau!“ widersprach sie ihm heftig. Hatte er ihr denn nicht zugehört? „Ich werde Herne alles sagen. Nachdem du es mir ganz genau erklärt hast!“ Aidan schob sie mit seiner Schnauze tiefer in den Gang, der zu seiner Höhle führte. Es war ein wenig unbequem für ihn, so am Eingang zu hocken, die Hinterfüße gerade so am Rand des Felsens festgekrallt, nur halb auf sicherem Boden. Doch so ließ Sabrìanna nicht mit sich umgehen, sie gab keinen Zentimeter nach, sondern stemmte die Hände in die Hüften und blitzte ihn aufgebracht an: „Du kannst es ihm nicht erzählen – was, wenn er Fragen hat? Du warst nicht dabei!“ Aidan nickte. Er war nicht dabei gewesen, und wenn er es erzählte, würde sie nicht darin vorkommen. Aber verstand sie denn nicht, dass er sie nur beschützen wollte? „Du darfst nicht hier sein. Du hast seinen Bann gebrochen – das ist eigentlich unmöglich. Wenn er erfährt, dass du hier bist...“ Seine Stimme brach, als er sich vorstellte, was der Wächter ihr alles antun könnte. Für eine Sekunde wurde es Sabrìanna ganz kalt, denn sie konnte sich ebenfalls so einiges vorstellen. Doch schon kam ihr Pflichtbewusstsein wieder an die Oberfläche, und sie setzte ihm entgegen: „Aidan, ich muss das tun. Eure Welt ist wundervoll und ich... würde gern mehr davon sehen, aber hier rennt ein psychopathischer Hund herum, der meinetwegen hier ist. Ohne mich hätte er den Spiegel nicht durchqueren können. Ich habe eine Verantwortung!“
Wie mutig und kämpferisch sie aussah. Seine Brust wurde weit, und wenn er könnte, wie er wollte, würde er sie jetzt in seine Arme ziehen. Doch er war ein Drache, und sie ein Mensch, so traumhaft die Vorstellung auch schien, so war es doch unmöglich. Ernst entgegnete er: „Ich kann nicht zulassen, dass dir etwas passiert, Sabrìanna. Ich kann es nicht. Geh bitte in die Höhle, ich kümmere mich um den Hund.“ Die junge Frau hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, wenn das nicht so eine kindische Geste gewesen wäre. Er hörte ihr überhaupt nicht zu. Sie war keine Jungfrau in Nöten, die man im hohen Turm versteckte – oder in ihrem Fall in seiner Höhle. Sie war eine selbstbewusste und selbstbestimmte Erwachsene, und sie entschied selbst, was sie tun und lassen wollte, welches Risiko sie einzugehen bereit war, und ob sie sich verstecken wollte oder die Verantwortung übernehmen. „Er hat mich durch diesen Wald gejagt, weil er mich töten wollte!“ war sie sich sicher. „Ich werde nicht zulassen, dass er mich zu einem hilflosen Opfer macht. Ich werde gegen ihn angehen und dazu gehört, dass ich mich Herne stelle.“ Sie sah den Drachen offen an, machte einen Schritt auf ihn zu und strich ihm mit einer Hand über die glänzenden Schuppen. „Aidan, sperr mich hier nicht ein. Das ist, was ich tun muss!“ bat sie leise um sein Verständnis. Der Blick des Drachen wurde weich, und er schmiegte den Kopf gegen ihre Hand. Doch im nächsten Augenblick spannte er sich wieder an, entgegnete: „Nein. Ich kann das nicht riskieren. Du bleibst hier!“ und ließ sich rückwärts von dem Felsvorsprung fallen.
Sabrìanna schrie schon wieder erschrocken auf und griff sich ans Herz. Eine absolut dumme Angewohnheit, die sie sich unbedingt wieder abgewöhnen musste, was sie sich auch sofort vornahm. Vorsichtig schaute sie über den schartigen Fels nach unten in die unendlich scheinende Tiefe, doch nach wenigen Sekunden tauchte der massige Drachenleib wieder auf. Seine Flügel verursachten so viel Wind, dass sie unwillkürlich einen Schritt nach hinten machte, dann aber stehen blieb, den Mund verärgert verzogen. Das war doch reine Taktik, was er da machte! Aidan warf ihr noch
Weitere Kostenlose Bücher