Schmetterlingsspiegel (Keshevra's Queendom) (German Edition)
ihm ging die spiegelnde Fläche wie von einem Reißverschluss gezogen auf. Sabrìanna hatte genau zwei Sekunden, sich zu wundern, woher ihr dies bekannt vorkam, bevor sie fiel... und fiel... und fiel...
Diesmal stand sie nicht auf einer hellen, sonnigen Wiese, sondern mitten in einem Wald, dessen Laubkrone so dicht verflochten war, dass kaum ein Sonnenstrahl zum Boden durchdringen konnte. Erschrocken sah sie sich um, wo war sie denn hier gelandet? Der Wald wirkte wie aus einem sehr fantasievollen Alptraum entsprungen, düster und bedrohlich, kalt und feucht. Sie drehte sich um, in der Hoffnung, dass ihr Weg hinein vielleicht auch direkt wieder einen Ausweg bieten könnte – und ihr Herz blieb beinahe stehen, als der riesige Hund mit einem Satz aus dem Nichts gesprungen kam, die Zähne gefletscht, mit einem triumphierenden und seltsam intelligenten Ausdruck in den Augen. „Endlich!“ kam es heiser aus seiner Kehle, und Sabrìanna schrie entsetzt auf. „Du hast mir den Weg zurück geöffnet... ich sollte dir wohl dankbar sein.“ Der Hund starrte sie einen Herzschlag lauernd an und setzte dann hinzu: „Oder auch nicht!“ In diesem Augenblick wurde Sabrìanna klar, dass ihre irrationale Angst vor Hunden schlicht und ergreifend die vorausschauende Angst vor diesem einen Hund gewesen war – und mehr als gerechtfertigt! Ohne nachzudenken wirbelte sie herum und rannte los, mitten hinein in den dunklen Wald. Dornenranken und stachlige Büsche zerrten an ihrem Rock, als versuchten sie, sie zu Fall zu bringen, doch sie rannte weiter, rannte, so schnell sie konnte, ohne Ziel und Plan, einfach immer nur weiter. Es war klar, dass der Hund mit ihr spielte, er musste doch viel schneller sein als sie und sie längst eingeholt haben! Doch er blieb hinter ihr, folgte ihr, wohin auch immer sie lief, und jedes Mal wenn sie langsamer wurde, knurrte er und schnappte nach ihr, worauf sie das Tempo wieder erhöhte. Ihre Muskeln begannen zu schmerzen, ihr Atem ging schwer und stoßweise, und Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie wünschte, sie könnte glauben, dass das hier nur ein Traum war, aus dem sie jeden Augenblick erwachen könnte, sicher in ihrem eigenen Bett. Doch es war zu real, und ihr Unterbewusstsein hatte die Gefahr längst erkannt, in der sie sich befand und ließ keine Ausreden mehr zu. „Nein. Nein, ich will hier nicht... nicht sterben!“ keuchte sie verzweifelt, doch mit jedem Schritt brannten ihre Lungen mehr. Sie spürte, wie sie langsamer wurde, glaubte nicht mehr zu können, am Ende zu sein.
Doch irgendetwas zwang sie dazu weiter zu laufen, als müsste sie nur aus dem Wald herauskommen und würde sicher sein, als riefe sie etwas und gäbe ihr neue Kraft. Der Hund hinter ihr bellte und wurde hörbar schneller, schloss zu ihr auf, worauf sie ihre letzten Kräfte mobilisierte. Sie würde sich nicht kampflos ergeben. Sie würde keine leichte Beute sein, kein Opfer! Sie war eine Kämpferin, sie gab niemals auf, auch wenn nichts in ihrem Leben sie hierauf vorbereitet hatte, sie würde nicht einfach stehenbleiben und den Hund ihr Schicksal sein lassen! Mit einer Hand wischte sie sich die Tränen aus den Augen, rannte, wie sie noch nie zuvor gerannt war, kämpfte sich durch das Unterholz. Egal wie sehr ihr die Dornenranken die Hände und Arme zerkratzten, egal wie viele Zweige sich in ihrem Haar verfingen und ihr dies büschelweise ausrissen. Es schien ihr, als würde der Wald selbst gegen sie arbeiten, versuchen sie aufzuhalten, doch das ließ sie nur noch entschlossener werden, einen Ausweg zu finden. Hinter sich hörte sie das Hecheln des Hundes, doch sie drehte sich nicht um, das würde sie nur aufhalten. Wo sie zu kämpfen hatte, dass sie vorwärts kam, schien er problemlos durch die Büsche schlüpfen zu können; wo man ihr schon deutlich anhörte, wie schwer sie noch zu Atem kam, ihr Brustkorb rasselte, und der Schmerz in ihren Beinen und Lungen sie beinahe zu Boden zwang, klang der Rhodesian Ridgeback – oder was immer das Teufelsvieh hinter ihr auch in Wirklichkeit war – als hätte er einfach nur Spaß an der Jagd und könnte noch stundenlang so weiterlaufen.
Die Hände zu Fäusten geballt, dass die Fingernägel ihr in die Haut schnitten, und die Zähne fest aufeinander gebissen, rannte Sabrìanna weiter. Sie kämpfte gegen Ranken und Äste, Büsche und Zweige, gegen Efeu, das sich nach ihr ausstreckte, glitschiges Moos unter ihren Füßen und Steine, die in ihrem Weg lagen, gut getarnt, so
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