Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
gestreift. Er sah zu, wie sie ebenso
abrupt auf ihren flachen Absätzen herumwirbelte – doch auf einmal geriet ihre Zielstrebigkeit
ins Stocken. Die Handtasche in ihrer linken Hand schien ein wenig zu flattern, mit
der rechten griff sie sich an die Stirn. In dem Moment, als ihre Knie einknickten,
war John hinter ihr. Er umfasste ihre Oberarme, stützte sie.
»Rühr mich
nicht an«, beschwerte sie sich, aber ihre Stimme war schwach. Ohne Protest ließ
sie sich von ihm in das Nebenzimmer führen, wo er ihr die Tasche abnahm. Erneut
schien Laura zu wanken und ihm gelang es, sie auf die Liege zu befördern. Sie lag
auf dem Rücken, schloss die Augen und seufzte. Ihre Nasenspitze war weiß. John kniete
neben ihr und ertappte sich dabei, wie er das Gesicht dieser Frau studierte. Entspannt
wirkten ihre Züge, zum ersten Mal seit ihrem Wiedersehen, und sie sah gleich noch
attraktiver aus. Sie atmete ganz ruhig. Eine Parfümwolke stieg von ihr auf, und
John nahm an, dass ein winziger Flakon dieses Wässerchens teurer war als seine Lederjacke.
Er betrachtete ihre Kleidung, die ihren Stil, ihren Erfolg im Leben perfekt widerspiegelte.
Welchen Beruf mochte sie ergriffen haben – auch das hatte er sie nicht gefragt.
Vielleicht lag es an diesem Wall, den sie um sich herum aufgebaut hatte. Laura Winter
gehörte nicht zu den Menschen, die das Herz auf der Zunge trugen.
»Was starrst
du mich denn so an?«
Ihre Stimme
ließ ihn zusammenzucken. »Tu ich doch gar nicht.« Er kam auf die Beine und trat
zu der Kaffeemaschine auf dem kleine Tischchen.
Auch Laura
stand auf. »Mir war plötzlich etwas unwohl«, murmelte sie. »Danke.«
John sah
ihr an, dass es ihr nicht leichtfiel, dieses kleine Wörtchen an ihn zu richten.
»Bleib lieber noch ein wenig liegen.« Er füllte die Filtertüte mit Kaffee. »Etwas
anderes kann ich dir leider nicht anbieten.«
»Lass nur«,
sagte sie bereits wieder mit Bestimmtheit. »Mir geht’s besser.«
»Ein paar
Minuten Ruhe …«
»John, ich
lasse es dich wissen, wenn ich eine Krankenschwester benötige.« Laura griff nach
ihrer Handtasche.
Er zeigte,
so gut es ihm gelang, ein giftiges Grinsen. »Was hast du vor?«
»Was schon?
Ich gehe in mein Hotel zurück.«
»Ich begleite
dich.«
»John, deine
Besorgnis ist wirklich anrührend«, meinte sie etwas zu gönnerhaft. »Doch ich schaffe
es durchaus allein dorthin.«
»Gut möglich.«
Erneut bemühte er sich um eine ordentliche Portion Giftigkeit. »Aber diesmal gebe
ich die Befehle. Verstanden?«
Sie maß
ihn mit einem ironischen Blick. »Sehr beeindruckend, wenn du so streng auftrittst.«
Bevor er
etwas entgegnen konnte, setzte Elvis ein: »Love me tender … love me sweet …«
»Wie romantisch«,
bemerkte Laura Winter spöttisch, als sie durch die Tür des Nebenzimmers nach draußen
marschierte, offenbar tatsächlich wieder bei Kräften. Doch dieses eine Mal ließ
John sich nicht abspeisen. Er griff nach seiner Lederjacke am Haken und beeilte
sich, seiner eigenwilligen und nach wie vor einzigen Auftraggeberin hinterherzukommen.
Die Sonne
blendete sie, als sie nach einer schweigsamen Fahrt mit dem Aufzug nebeneinander
die Straße betraten. »Wo ist dein Hotel?«, fragte John.
»Eisenbahnstraße«,
kam die knappe Antwort, so rasch und kühl wie immer. Sowohl den Unfall als auch
die kurze Schwäche im Büro schien Laura bestens verdaut zu haben. Ihre Schritte
waren schnell und raumgreifend. Sie folgten der Kaiser-Joseph-Straße durch das frühnachmittägliche
Gewimmel, um schließlich Kurs auf die Eisenbahnstraße zu nehmen. »Ziemlich warm
heute«, sagte John, nur um dieses dumpfe Schweigen zu brechen.
»Ziemlich.«
Sie starrte weiterhin geradeaus.
»Was mich
interessieren würde«, sprach John weiter, obwohl er nicht recht wusste, weshalb.
»Was tust du eigentlich? Ich meine, was arbeitetest du?«
Erstaunt
sah sie ihn an. »Ich? Wieso fragst du?«
»Einfach
nur so. Aus Interesse. Was hast du studiert? Du hast doch bestimmt studiert, oder?«
Sie verdrehte
erneut die Augen. »Erst Medizin. Nicht allzu lange. Dann Geschichte, weil ich mir
plötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Lehrerin werden zu wollen. Na ja, das hielt
ebenfalls nicht lange an. Schließlich Wirtschaftswissenschaften. Bis zum Ende durchgezogen.
Heute arbeite ich für eine Unternehmensberatung.«
Das passt
zu dir, dachte John. Was sich weniger in sein Bild von Laura Winter fügte, war die
Tatsache, dass sie gleich zweimal etwas angefangen hatte, ohne es zu beenden.
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