Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
›Kann ich sonst was
für sie tun?‹, meinte ich. Erst schien er irgendwie abzuwägen, ob er noch mal den
Mund aufmachen sollte oder nicht. Jedenfalls denke ich das jetzt. Aber dann murmelte
er bloß irgendwas und stierte auf das Bild.«
»Eigenartig.«
John stellte sich an den Tresen und stützte die Unterarme darauf ab. »Ich war gestern
auf der Geschäftsstelle der Badischen, um die gute alte Tante Ju zu besuchen. Und
ob ihr’s glaubt oder nicht: Dort hatte dieser Typ auch einen Auftritt.«
»Der mit
der Stange?« Blanca blickte verblüfft in die Runde.
»Ja, genau
wie hier: Er hat wild um sich geschlagen und ist wieder abgehauen.«
»In der
Badischen? Da, wo die Tickets verkauft werden?« Günter schüttelte den Kopf. »Also,
in meine Kneipe flattern ja die seltsamsten Vögel rein, aber dort …«
»Ich habe
so ein Gefühl«, murmelte John, »als ob wir nicht zum letzten Mal von dem gehört
haben.«
»Darauf
kannst du wetten«, stimmte Blanca zu.
»Hast du
Anzeige erstattet, Günther?«, wollte John wissen.
»Na klar
hab ich das.«
»Es waren
auch gleich zwei Polizisten da«, erläuterte die junge Bedienung. »Die haben den
Schaden begutachtet, sich alles genau angehört und sind dann wieder abgerauscht.«
»Übrigens«,
wandte sich der Wirt an Blanca, »die Geschichte ist dir bestimmt auf den Magen geschlagen
– geh einfach nach Hause. Ich mach allein weiter, und unser Küchenzauberer ist ja
bald da.«
Zuerst lehnte
sie ab, doch als Günther sie erneut zu einem verfrühten Feierabend drängte, gab
sie nach. »Normalerweise schlägt mir ja nichts so leicht auf den Magen. Die Begegnung
mit diesem ganz besonderen Gast hatte es allerdings echt in sich.«
Günther
nickte ihr aufmunternd zu. »Leg daheim die Beine hoch und lenk dich ein bisschen
ab.«
»Danke schön,
ich glaub, da kann ich einfach nicht Nein sagen.« Fast ein wenig entschuldigend
hob sie die Schultern. »Ich hoffe nur, der Verrückte mit seiner Stange läuft mir
nicht in der Fußgängerzone über den Weg.«
»Ich kann
dich gern nach Hause begleiten«, stellte sich John zur Verfügung, und als Blanca
das Angebot sofort dankend annahm, war er durchaus zufrieden mit sich. Endlich einmal
hast du etwas richtig gemacht, sagte er sich.
Gemeinsam
gingen sie dann ohne Hast über das Kopfsteinpflaster hinweg, dem Lauf der Bächle
folgend. John vermied es, den Zwischenfall mit dem Unbekannten anzusprechen. Die
Unterhaltung wurde vertraulicher, und er spürte, dass ihm die Frau eine gewisse
Sympathie entgegenbrachte. Das war Balsam auf seiner Seele, vor allem angesichts
des zuletzt mehr als erfolglosen Alltags. Die Sonne schien nach wie vor auf die
Stadt herab.
Ein leichter
Wind war aufgekommen, der noch nicht die Kühle des Herbstes in sich trug, sondern
eher Erinnerungen an den zurückliegenden Sommer. Blanca zeigte sich interessiert
an Johns Job, und obwohl er den Fall innerlich bereits abgeschlossen hatte, konnte
er nicht widerstehen. Vielleicht war das ja der Zufallstreffer, den er so herbeisehnte
– offenbar das Einzige, was ihm überhaupt noch weiterhelfen konnte. Er zog Felicitas
Winters Foto aus der Tasche und zeigte es der jungen Frau. Es kam ihm vor, als hätte
er genau diese Bewegung schon unendlich oft vollführt, dabei war es nur ein paarmal
gewesen.
Blanca musterte
das fotografierte Gesicht und schürzte die Lippen. »Hmm.«
Noch während
er sich klarmachte, wie unrealistisch seine Hoffnung auf den zufälligen Schuss in
Schwarze doch war, löste sich diese auch schon auf.
»Sorry«,
sagte Blanca bedauernd. »Nie gesehen.«
»Macht ja
nichts«, erwiderte John. Nie gesehen, wiederholte er in Gedanken. Was auch sonst?
Am Bertoldsbrunnen
bestiegen sie die Straßenbahn in Richtung Betzenhausen, wo Blanca, wie sie erklärte,
in einer winzigen Mietwohnung lebte. Als sie schließlich vor dem Block ganz in der
Nähe des Flückigersees, eines kleinen, aber herrlich angelegten Baggersees, standen,
lud John sie auf ein Eis ein. Diesmal allerdings lehnte Blanca ab, immerhin auf
charmante Art, sodass er den Korb zu nehmen wusste. Bei der Verabschiedung umarmte
sie ihn innig, als würden sie sich bereits viel besser kennen.
Der anschließende
Abend plätscherte an John vorbei wie die meisten in der letzten Zeit. Nachdem er
Papageienfutter und einen kleinen Spiegel für den Vogelkäfig gekauft hatte, kümmerte
er sich eine ganze Weile um Elvis, der ihm für die Aufmerksamkeit mit einem wilden
Potpourri aus Rock-’n’-Roll-Songs dankte.
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