Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
»Und
was für Unternehmen berätst du?«
»John, was
soll das?« Ein rascher Seitenblick. »Willst du ein bisschen Konversation machen?
Danke. Wirklich nicht nötig.«
Vor dem
Hotel Rheingold angekommen, hielt Laura Winter inne. Auch das Hotel passte für Johns
Empfinden bestens zu ihr. Es war teuer, geschmack- und stilvoll – und irgendwie
unpersönlich. So unpersönlich wie die Art, mit der ihm Laura nun ihre Hand hinstreckte.
»Besten Dank für deine Begleitung.«
Er hatte
kaum ihre Finger berührt, da zog sie sie auch schon zurück. »Übrigens, morgen Nachmittag
reise ich ab. Mit der Bahn. Wieder nach Hause. Dann auf Wiedersehen, John Dietz.«
»Morgen?
Zurück nach Stuttgart?«
Sie nickte
kurz. »Wo ich besser geblieben wäre. Das alles hat doch wirklich keinen Sinn.«
»Also, ich
…« Er suchte nach den richtigen Worten.
»Wie ich
schon in deinem Büro sagte: Schick mir die Rechnung. Ich werde mich sofort darum
kümmern. Die Adresse erhältst du per SMS. Deine Handynummer habe ich ja.«
»Okay.«
Auch er nickte, und er spürte, dass sich ein grimmiger Zug um seinen Mund bildete.
»Es tut mir leid, dass ich nicht …«
»Vergiss
es, John.« Sie sah an ihm vorbei, als wäre sie mit den Gedanken längst woanders
– was wohl tatsächlich der Fall war. Sie machte ein paar Schritte auf das Hotelportal
zu und blieb noch einmal stehen. »Zum Schluss ein Rat von mir an dich: Such dir
einen anderen Job.«
Er sah sie
an und zog eine Schnute. »Und ein Rat von mir an dich: Trag die Nase nicht so hoch,
dass sie ständig die Decke streift.«
Sie nahm
die Antwort mit einem gleichmütigen Lächeln hin. »Du hattest vorhin übrigens recht.
Ich meine, mit der Kneipe.«
Verwirrt
sah er sie an. »Bitte?«
»Felicitas.
Sie hat wirklich gekellnert. Das ist allerdings schon eine Weile her, war am Anfang
ihres Studiums.«
»Und welche
Kneipe ist das? Oder war das?«
»Es war
ein Name, der mir aus meiner Zeit in Freiburg nicht geläufig war. Soweit ich mich
erinnere, kam ›Maus‹ darin vor.«
»Spitzmaus?«
»Könnte
gut sein.«
»Eine schlichte
Studentenkneipe mitten in der Innenstadt.«
»Ich hatte
einfach nicht mehr daran gedacht. Felicitas hat den Namen in der folgenden Zeit
nie wieder erwähnt. Na ja, wie gesagt: Es hat ja doch keinen Sinn.« Laura Winter
hob die Schultern. »Noch ein schönes Leben, John. Und mehr Erfolg bei deinem nächsten
Fall.« Damit drehte sie sich um und verschwand mit raschen Schritten durch das Portal.
Ein paar
Sekunden blieb er stehen, als bestünde die Möglichkeit, sie könnte noch einmal auftauchen.
Langsam drehte er sich um. Die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, schlenderte
er zum oberen Ende der Eisenbahnstraße zurück. Ein Mann kam ihm entgegen, schlank,
überaus eleganter Anzug, kurz geschorenes schwarzes Haar. Für einen Wimpernschlag
trafen sich ihre Blicke, und irgendwo in Johns Gedächtnis glimmte eine Erinnerung
auf. Den kenne ich, sagte er sich, doch woher, fiel ihm nicht ein, und so kam er
zu dem Schluss, dass er sich getäuscht haben musste. Seine Gedanken schleppten sich
ohnehin ziemlich schwerfällig dahin. Fast unbewusst schlug er den Weg zur Innenstadt
ein, zur Fußgängerzone, vorbei am Kollegiengebäude 2, von dort in das kleine Gassengewirr,
das sich zwischen den wuchtigen Universitätsbauten hindurchquetschte. Straßencafés,
die wie gewöhnlich gut besucht waren, Buchläden, Copyshops. Ein ausgefranster Typ
schrubbte derart wild auf seiner Gitarre herum, dass er mit seinem gejaulten Gesang
kaum nachkam. Ein Junge mit gelber Punkfrisur bettelte um ein paar Münzen, doch
John stiefelte an ihm vorüber. Noch immer ging er wie ferngesteuert, und erst als
er wenige Schritte vor der Kneipe stehen blieb, gestand er sich ein, dass er nicht
zufällig hierher gekommen war.
Seine Pechsträhne
blieb ihm allerdings treu. Er starrte auf den einfachen Computerausdruck, der an
der verschlossenen Eingangstür klebte:
›Heute machen
die Spitzmäuse einen Ausflug.
Deshalb
bleibt die Küche kalt.
Bis morgen,
euer Spitzmaus-Team‹
Wie hatte es Laura Winter ausgedrückt?
›Es hat ja doch keinen Sinn.‹ Wahrscheinlich hatte sie recht damit. Wahrscheinlich
war sie einer dieser Menschen, die sowieso immer recht hatten. Wahrscheinlich ergab
überhaupt nichts Sinn, zumindest nichts, was John Dietz anpackte. Er seufzte und
ging die Gasse weiter hinab. Erneut war es so, dass er mehr oder weniger unbewusst
einen Weg einschlug. Eher weniger unbewusst,
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