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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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gab er vor sich selbst zu. Er folgte
der Bertoldstraße ein kurzes Stück und erreichte ein paar Minuten später das Krügle.
Als er die Kneipe betrat, hellte sich seine Stimmung sofort auf. Vielleicht doch
noch ein Glückstag?
    Denn die
erste Person, die er im stets schummrigen Inneren erblickte, war Blanca. Auf seinen
netten Gruß reagierte die hübsche junge Frau allerdings kaum. Jetzt erst sah John,
dass auch Günther, der Wirt, und ein paar der üblichen Stammgäste anwesend waren.
Alle wirkten reichlich konsterniert und nahmen ihn gleichermaßen desinteressiert
zur Kenntnis wie Blanca.
    Eine ungewohnte
Stille lastete auf dem niedrigen, etwas muffigen Gastraum, der seit Jahren unverändert
erschien: altmodische Holzverkleidung und ausgefranste Poster an den Wänden, abgewetzte,
mit Kritzeleien verzierte Stühle und Tische. Die Stereoanlage aus den frühen 90ern
dudelte nicht wie sonst vor sich hin.
    »Was ist
denn los?«, entfuhr es John Dietz. »Habt ihr euren persönlichen Volkstrauertag eingeläutet
oder was?«
    Günther,
der vor dem leicht schiefen Tresen stand, drehte sich zu ihm um. »Ganz und gar nicht«,
murmelte er und kam auf John zu, um ihm gewohnheitsmäßig die Hand zu schütteln.
Die Oberfläche des Tresens zog Johns Aufmerksamkeit auf sich – und er entdeckte
seltsame Dellen. Zersplittertes Holz, außerdem Bierlachen und Scherben von Gläsern.
    »Sieht fast
so aus, als wollte jemand Kleinholz aus dem Krügle machen«, meinte John verwundert.
    »Sieht nicht
nur so aus«, antwortete Günther mit ratlosem Gesicht.
    »Ein Amokläufer«,
meldete sich Blanca zu Wort. »Oder so was in der Art.« In ihren eindrucksvollen
Augen blitzte es auf. Sie war die einzige, die hinter dem Tresen stand.
    Die Stammgäste
fingen an, aufgeregt draufloszuplappern, aber John brachte sie mit einer ruckartigen
Geste zum Schweigen. »Günther, was ist hier passiert?«
    »Blanca
kann’s am besten erklären. Sie hatte Dienst, als es losging.«
    Die junge
Frau nickte. »Erzählen kann ich’s vielleicht, erklären allerdings ganz sicher nicht.«
Sie breitete die Arme aus. »Also, es war gerade nicht viel los. Nur wenige Gäste.
Am Tresen stand ein Mann, den ich nie zuvor gesehen habe. Und am ersten Tisch hockten
vier Studenten. Unser Koch kommt ja immer erst fürs Abendgeschäft, und als die vier
was zu essen wollten, bin ich in die Küche gehuscht, um von dem Chili con Carne
von gestern aufzuwärmen.«
    »Der Mann«,
warf John ein. »Was war das für einer?«
    »Groß, sehr
kräftig. Um die 50, würde ich schätzen. Schwarzgraue, verstrubbelte Haare, Schnurrbart.
Hat ein Bier bestellt. Und er konnte kaum Deutsch, hat mit Akzent gesprochen. Er
stand einfach da, nuschelte in seinen Bart und nippte an seinem Bier. Die ganze
Zeit über starrte er auf ein Foto.«
    »Und dann?«
    »Und dann
ging’s los.« Blanca strich sich fahrig durchs Haar. »Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung.
Ich hab’s aus der Küche gesehen, nur aus dem Augenwinkel. Der komische Typ hielt
auf einmal eine Eisenstange in der Hand. Vorher hatte ich die gar nicht bemerkt.«
    »Vielleicht
war sie irgendwie in der Jacke versteckt«, vermutete Günther.
    »Ja, in
der Jacke. Er trug so eine Art Parka, gefüttert, mit Pelzbesatz. Viel zu warm. Ich
weiß noch, dass ich mich am Anfang darüber gewundert habe.« Blanca schnalzte mit
der Zunge. »Und dann, stell dir vor, John, hämmerte dieser Wahnsinnige voller Wut
auf unsere gute alte Theke ein. Mit der Stange! Immer wieder!«
    John betrachtete
den Schaden und äußerte nichts.
    »Die Studenten
sind aufgesprungen, total erschrocken. Die rannten sofort los, einfach nach draußen,
als ging’s um ihr Leben. Von denen kam natürlich keiner wieder.«
    »Und der
Mann?«
    »So plötzlich,
wie er losgelegt hatte, hörte er wieder auf. Er hat geschnauft und vor sich hin
gestiert. Dieser Blick! Der Blick eines Wahnsinnigen, das sag ich dir!«
    »Dir ist
nichts geschehen, hoffe ich?«
    »Nein, nichts
bis auf den Schreck. Der Kerl hat mich nämlich gar nicht mehr beachtet. Ich sehe
noch vor mir, wie er sich umgedreht hat und dann einfach raus auf die Straße gestiefelt
ist. Mannomann, was für ein Tag.«
    »Er hat
ein Foto angestarrt?«, fragte John weiter. »Was für eines?«
    »Keine Ahnung.«
Blanca grübelte kurz. »Ist übrigens möglich, dass er es mir zeigen wollte. Schon
als er hereinkam, spielte er damit herum. Ich sagte: ›Hallo‹, er sagte: ›Bier‹.
Dann glotzte er mich so an, als würde er was loswerden wollen.

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