Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
Besuch in der Spitzmaus zu verdrängen. Natürlich kein Glückstreffer.
Wie hatte er so naiv sein können, darauf zu hoffen? Es war gewesen wie an den Tagen
zuvor: Er hatte Felicitas’ Foto gezeigt und lediglich Schulterzucken geerntet. Bei
den beiden Bedienungen und dem Aushilfskoch. Nur der Wirt schien eine vage Erinnerung
an die junge Frau zu haben. »Kann sein, dass die mal hier gejobbt hat. Zumindest
kommt mir die Kleine bekannt vor. Aber wissen Sie, hier haben so viele Studentinnen
ein paar Scheine dazuverdient, ich kann mir echt nicht alle merken. Manche kommen
nur zwei- oder dreimal, und dann haben sie keine Zeit mehr oder keine Lust.«
»Gehörte
diese Frau nun zu Ihren Bedienungen? Oder nicht?«, fragte John, auch wenn es ihm
sinnlos erschien.
Der Mann
biss sich auf die Unterlippe. »Wann, meinten Sie, soll das gewesen sein?«
»Vor mehr
als einem Jahr.«
»Sehen Sie,
damals habe ich mit einem langwierigen Beinbruch gekämpft. Ein Freund von mir hat
den Laden zeitweise geführt. Vielleicht hat der sie als Aushilfe eingestellt, und
wo ich wieder an Bord war, war sie schon weg. Das wäre möglich.« Er grinste desinteressiert.
»Hübsch ist sie jedenfalls.«
»Ja, ich
weiß«, murmelte John, genervter als beabsichtigt. »Dann geh ich mal wieder.«
»Sie können
meinen Freund fragen. Ich geb Ihnen seine Nummer.« Er schlug sich an die Stirn.
»Ach, Mensch! Das geht ja nicht – jedenfalls im Moment. Der hat sich für eine Weile
mit seinem Rucksack nach Vietnam verdrückt. Ohne Handy, ohne Laptop. Dort können
Sie ihn nicht erreichen. Keine Chance. Möchten Sie trotzdem seine Nummer? Danach
könnten Sie ihn ja …«
»Wie lange
bleibt er weg, sagten Sie?«, schnitt John ihm das Wort ab.
»Fast zwei
Monate. Also, möchten Sie seine …?«
»Hat sich
erledigt. Danke.«
In der Tat:
erledigt hatte es sich. Zwei Monate konnte John nun wirklich nicht warten – nur
um dann wahrscheinlich doch wieder bloß einen Fehlschuss abzufeuern. Schluss damit.
Schluss mit dem Rätsel namens Felicitas Winter. Und wohl auch Schluss mit der Detektei.
»Bist du
dir sicher, dass das keine Schnapsidee ist, John?«, hatte Günther aus dem Krügle
ihn damals gefragt.
»Und ob
ich mir sicher bin«, war seine Antwort gewesen. Nun ja, wie das Leben so spielt,
dachte John ziemlich ratlos, als der neu eingestellte Klingelton seines Handys erklang,
die Melodie eines Elvis-Presley-Klassikers. Es wurde eine Nummer angezeigt, die
zu einem muffigen Kellerbüro gehörte. »Hallo, Tante Ju.«
»Grüß Gott,
Sherlock. Also, das Foto, das du mir gezeigt hast. Du weißt schon, von der jungen
Frau.«
»Ist dir
doch etwas dazu eingefallen?«, erkundigte er sich skeptisch.
»Ich würde
mir die Dame gern noch mal ansehen«, meinte Tante Ju wenig aufschlussreich. »Wann
wäre das möglich?«
»Von mir
aus gleich«, hörte sich John antworten. »Ich kann etwa in 15 Minuten bei dir sein.«
Er hatte sowieso nichts vor. Und was spielte es schon für eine Rolle, das Bild ein
letztes Mal aus der Jackentasche zu fischen und es jemandem vor die Nase zu halten,
nur um es dann ergebnislos wieder zu verstauen? Gar keine Rolle, sagte sich John
Dietz.
Es dauerte
in der Tat kaum länger als eine Viertelstunde, bis er die Stufen zu Tante Jus kleinem
Kellerreich hinunterging. Die Bürotür stand offen, wie immer, und ein dünner, kaum
sichtbarer Qualmfaden zog sich nach draußen in den spärlich beleuchteten Gang. Er
klopfte an den Türrahmen und betrat den Raum dahinter. Das graue Haar, kunstvoll
und nachlässig zugleich aufgetürmt, war das Erste, was er sah. Dann die gewitzt
blinzelnden Augen, die ihn über das Brillengestell hinweg musterten. »Setz dich,
Johnny, bin gleich so weit.« Sie drückte ihre Zigarette aus, tippte in Zeitlupe
mit einem einsamen Zeigefinger auf die Tastatur ihres altertümlichen Computers ein,
dessen Bildschirm sie von Zeit zu Zeit misstrauisch musterte.
Also wartete
er. Tante Ju und moderne Gerätschaften, das konnte eine Weile dauern. Und doch vermochte
er sich dem Reiz dieses Anblicks nicht zu entziehen. Diese Dame war etwas ganz Besonderes,
und selbst wenn man nicht mit ihr sprach, genoss man ihre Anwesenheit. Jedenfalls
galt das für John, der sie von seinem Hocker aus mit feinem Schmunzeln beobachtete.
Endlich
löste sich die unübersehbare Spannung, die sie im Griff hielt, und Tante Ju drückte
ein letztes Mal die Enter-Taste. Erleichtert nahm sie nun wieder John ins Visier.
»Junge, ich hasse diese Kiste.«
»Ich
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