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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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schon
eine Weile her, und ich sah sie nur bei dem kurzen Gespräch, das eigentlich keines
war. Deshalb hat es gedauert, bis ich auf sie kam. Außerdem ist sie ja auf dem Foto
sehr gepflegt und nicht verwirrt und verstrubbelt und ängstlich.«
    »Warum sie
sich fürchtete – oder zumindest diesen Eindruck erweckte –, das hat also niemand
erfahren?«
    »Nichts
hat man über sie erfahren, Johnny, nicht das Geringste.« Etwas Liebevolles schlich
sich in Tante Jus Gesichtsausdruck. »Ich hätte dir so gern geholfen, Junge. Aber
damit ist’s wohl Essig.«
    »Wer weiß,
was sich noch herausstellen wird«, bemühte er sich gleich um einen zuversichtlichen
Tonfall. »Vielleicht hast du mir ja doch weitergeholfen. Nur, dass wir beide es
noch nicht wissen.«
    »Ist gar
nicht so leicht, Privatdetektiv zu sein, stimmt’s?«
    John blies
die Backen auf. »Zugegeben: Es läuft etwas schleppend.«
    »Willst
du einen Ratschlag von mir, Junge?« In ihrer Stimme schwang Wärme mit.
    Er zwinkerte
ihr zu. »Wenn nicht von dir – von wem dann, Tante Ju?«
    Überraschend
ernsthaft sagte sie: »Mein Tipp ist: Geh einfach deiner Nase nach, Johnny. Was immer
kommt, verlass dich auf dein Gefühl und vertrau auf deinen Riecher.«
    »Danke.
Das werde ich mir merken.« Es war ihm nicht bewusst, dass er eigentlich an ihr vorbeisah,
direkt auf die nackte Wand hinter Tante Jus Kopf.
    »Über was
denkst du nach, Junge?«
    »Ach, keine
Ahnung.« Er lächelte etwas gezwungen. »Ich frage mich bloß, wie aus Felicitas Winter
die stumme Maja werden konnte.«

3
Ein trauriger Bär
     
    Der gekrächzte Singsang aus dem
Nebenzimmer wurde durchdringender: »… only fools rush in …«
    John bemühte
sich, nicht auf Elvis zu achten, was angesichts der Lautstärke nicht gerade einfach
war. Lustlos blätterte er in der aktuellen Ausgabe der Badischen Zeitung. Die Beine
hatte er bequem auf dem stets fast leeren Schreibtisch ausgestreckt, die Ellbogen
ruhten auf den Armlehnen. »Ja, ein Fool. Ein Idiot, ein Narr. Da würden dir viele
recht geben, Elvis. Denn genau das bin ich.« Ganz leise kroch Johns Stimme durch
die Leere des Büros, immer wieder übertönt von den Schreien des Papageis. »Wie ein
Idiot bin ich da reingeschlittert. Und zwar in diese verdammte Privatdetektivgeschichte,
nicht in die Liebe.«
    Automatisch
musste er an ein bestimmtes Gesicht denken, ein gut aussehendes Gesicht, umrahmt
von blondem Haar. Er seufzte und stellte sich vor, wie Laura Winter ihren Tag in
Stuttgart verbracht haben mochte. Sicherlich im Büro. Hat wahrscheinlich Leute rumkommandiert,
dachte er, und längst vergessen, dass sie John Dietz beauftragt hatte, etwas über
ihre jüngere Schwester herauszufinden. Längst vergessen, dass es ihn überhaupt gab
und er hier langsam, aber sicher verstaubte.
    Obwohl er
alles andere als konzentriert las, stach John plötzlich ein kleiner Artikel ins
Auge. Darin wurde von einem Unbekannten berichtet, der Mobiliar im Empfangsraum
der Zeitungsgeschäftsstelle und in drei Lokalen der Innenstadt mutwillig zerstört
hatte und daraufhin geflüchtet war. Die Beschreibung des Mannes – überdurchschnittlich
groß, kräftig, etwa 50 Jahre, Schnauzbart – deckte sich mit dem, was Tante Ju und
Blanca berichtet hatten. John überflog ein zweites Mal die Zeilen und schüttelte
nachdenklich den Kopf. »Eigenartig«, flüsterte er kaum hörbar. »Einfach eigenartig,
diese Geschichte.«
    Das Dunkel
des beginnenden Abends ergoss sich in das Büro, verdrängte die Helligkeit, und John
knipste das Licht an. Aus dem Käfig des Nebenzimmers drangen mittlerweile keine
Oldie-Gesänge mehr, sondern nur das knisternde Schmatzen, mit dem Elvis seine Futterkörner
zermalmte. Johns Gedanken schlichen zurück zu dem Telefonat, das er vor etwa einer
Stunde geführt hatte. Warum hast du überhaupt angerufen?, fragte er sich, um sich
gleich in aller Stille die prompte Antwort zu geben: Weil du’s einfach nicht lassen
kannst!
    Er hatte
nämlich mit Thomas Butzenberg, Tante Jus Neffen, telefoniert. Und der hatte sich
überrascht gezeigt, da sie sich bloß vom Sehen kannten. Doch nach einigem Geplauder
über Tante Ju, den SC Freiburg und das Wetter war es John gelungen, ihn irgendwie
auf die junge Frau zu bringen, die vor einiger Zeit im Polizeirevier für Verwirrung
gesorgt hatte. John sparte es sich zu erwähnen, dass es für ihn ein berufliches
Interesse an der Sache gab, sondern behielt intuitiv den Plauderton bei. So wurde
der gute Thomas nicht misstrauisch

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