Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
dich warte.«
»Du hast
meine Handynummer. Du hättest …«
»Das weiß
ich selbst, Mr. Spürnase«, schnitt sie ihm das Wort ab – wie immer also. »Aber es
war mir ganz recht so.« Sie rollte mit den Augen. »Allein zu sein, meine ich.«
Immer noch
reichlich verwundert fragte er: »Hier? Im Treppenhaus?«
»Ich stand
vor dem Haupteingang und klingelte bei dir. Du warst nicht da«, erklärte sie lapidar,
»und da gerade jemand das Haus verließ, ging ich hinein.«
»Seit wann
bist du hier?«
»Zwei Stunden.
Vielleicht auch mehr.«
»Zwei Stunden?
Vielleicht auch mehr?«, wiederholte John ungläubig.
»Hast du
nur einen Papagei oder bist du selbst einer?«
Wie gehabt.
Auf den Mund gefallen war sie nicht. Und dennoch war das eine ganz andere Laura
Winter als die, die er kannte. Nur auf welche Art sie verändert war, das hätte John
nicht zu sagen vermocht.
»Und jetzt?«,
fragte sie. »Willst du noch länger dastehen und mich anschauen wie ein Gemälde?«
»Willst
du nicht mal aufstehen?«, erwiderte er ausnahmsweise einmal reaktionsschnell, was
ihm durchaus guttat.
Sie hob
die Schultern, kam dann aber doch auf die Beine.
»Ich dachte,
du wärst längst in Stuttgart«, fügte er hinzu und schob den Schlüssel ins Türschloss.
Durchdringend
sah sie ihn an. »Das wäre auch ganz bestimmt besser, da bin ich sicher.«
John stieß
die Tür auf. »Wie kann ich dir helfen?«
»Du? Höchstwahrscheinlich
überhaupt nicht.« Ironisch blitzten ihre blauen Augen auf. Allerdings nur kurz.
Dann waren sie wieder so leer wie in dem Moment, als er sie auf dem Boden hockend
entdeckt hatte. »Aber ob du’s mir glaubst oder nicht, John – ich wusste einfach
nicht, wohin ich gehen sollte.«
4
Lady Butterfly
Da saßen sie sich also wieder gegenüber,
getrennt durch den leeren Schreibtisch, sich einander mit Blicken abtastend, die
nicht gerade vor Zuneigung überquollen. ›Ich wusste einfach nicht, wohin ich gehen
sollte.‹ Dieser Satz Laura Winters klebte noch zwischen ihnen, schien den Abend
neu beginnen zu lassen und ihm eine vollkommen unerwartete Richtung vorzugeben.
Die Schreibtischlampe
warf einen Lichtkegel, der keine Wärme ausstrahlte, sondern das nackte Büro kälter
wirken ließ. Nun schwiegen sie seit einer nahezu endlosen Minute, kein Geräusch,
bloß eine trockene Stille, abgesehen von dem Mahlen der Papageikiefer im Nebenzimmer.
Zumindest Elvis war also ganz entspannt, hörbar froh darüber, mit einem Nachschub
an Körnern versorgt worden zu sein.
John betrachtete
seinen Überraschungsgast und wartete ab – ganz intuitiv, auch wenn er seinem Riecher
wohl lieber nicht mehr allzu sehr trauen sollte. Doch etwas sagte ihm, dass es so
richtig war.
Der Uhrzeiger
tickte eine Sekunde nach der anderen weg. Ein erneuter schwacher Regen kam auf und
ließ vereinzelte Tropfen fast lautlos an der Fensterscheibe platzen. Und so klang
Lauras Stimme in ihrem plötzlichen Aufwallen lauter, als sie tatsächlich war: »Willst
du nicht endlich irgendeine blöde Frage stellen?«
John lehnte
sich zurück und zeigte ein sanftes Lächeln. »Welche zum Beispiel?«
»Zum Beispiel
die, warum ich eigentlich hier bin.«
»Na gut.«
Er musterte sie. »Warum bist du eigentlich hier?«
»Das gefällt
dir. Habe ich recht?« Zum ersten Mal überhaupt senkte sie den Blick ihrer schönen
blauen Augen. »Sorry, wenn ich dich etwas zu heftig abgekanzelt habe.«
Er lümmelte
sich noch bequemer in den Stuhl. »Also, Laura. Lass doch bitte einfach die Katze
aus dem Sack.«
Zögernd
nickte sie. »Okay, John.« Sie straffte ein wenig ihren Oberkörper, als versuche
sie, wieder die Frau zu sein, die sie sonst präsentierte. »Du brauchst mir natürlich
nicht zuzuhören. Ich könnte verstehen, wenn du mir einfach die Tür zeigen würdest.
Immerhin habe ich gesagt, dass ich deine Dienste nicht mehr in Ans…«
»Bitte erzähl
einfach.« Zum ersten Mal war er es, der ihr das Wort abschnitt. Ein winziger Triumph
in diesen erfolglosen Tagen, aber dennoch ein Triumph.
»Okay, John«,
meinte sie erneut. »Es ist irgendwie verrückt.« Ein flüchtiges Lächeln in ihrem
Gesicht. »Ich saß schon auf meinem Platz im Zugabteil und hatte mit allem abgeschlossen.
Damit, dass ich nie erfahren würde, was Felicitas …« Laura betrachtete das leicht
mit Regentropfen besprenkelte Fenster, und er beobachtete ihr Spiegelbild in der
Scheibe. »Aber als die Lautsprecheransage kam, dass der Zug gleich losfahren würde,
da packte mich so ein ganz
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