Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
allzu weit hergeholt
wirkte. Und weil sie bei ihm übernachtet hatte, ausgerechnet bei John Dietz, den
sie anfänglich mit gehöriger Herablassung bedacht hatte. Das Essen war wohl ihre
Art, danke schön zu sagen. Sie gab sich aufgeräumt, wesentlich entspannter und natürlicher,
als er sie bisher gekannt hatte. Die Farfalle mit Garnelen, Zucchini und einem feinen
Hauch von Knoblauch und Weißwein schmeckten besser als alles, was John seit Monaten
gegessen hatte, und das sagte er Laura auch gleich. »Freut mich«, erwiderte sie
mit einer Bescheidenheit, die er ihr nie zugetraut hätte. Laura Winter, die fröhliche
Hausfrau. Wer hätte das gedacht?
Während
des Essens hatte er bisweilen das Gefühl, sie mustere ihn prüfend oder abwartend.
Als rechne sie damit, dass er ihr etwas mitzuteilen habe. Oder täuschte er sich
einfach?
»Nochmals
danke schön«, sagte John, bevor er nach einem letzten genussvollen Bissen die Papierserviette,
die ebenfalls aus Lauras Einkauf stammte, beiseitelegte.
»Nochmals
bitte schön.« Sie prostete ihm mit ihrem Mineralwasserglas zu und nahm einen Schluck.
»Eigentlich
hatte ich ebenfalls vorgehabt, dich zum Essen auszuführen«, meinte er. Und setzte
in Gedanken an sich gerichtet hinzu: Obwohl du es dir gar nicht leisten könntest,
jedenfalls zurzeit … »Und zwar zum besten Schwertfisch von ganz Baden.«
»Ach? Schöne
Idee.« Überrascht sah Laura ihn an. Wahrscheinlich hatte sie es gar nicht für möglich
gehalten, dass er auch nur wisse, was Schwertfisch überhaupt war. »Aber nun haben
wir ja gegessen. Außerdem hatte ich was gutzumachen, und nicht du.«
»Kennst
du das Restaurant Zum Karpfen? Von früher vielleicht?«
Sie schüttelte
den Kopf.
»Das gibt
es schon seit Ewigkeiten. In einem Dorf, ein Stück außerhalb von Freiburg.« Er lächelte
ihr zu. »Das ist weit und breit bekannt als Adresse für hervorragenden Fisch. Nicht
nur für den mit dem Schwert, aber besonders für den.« Und wieder ertönte die Stimme
der Frau aus der Belfortstraße in seiner Erinnerung: ›Ich weiß genau, dass du mit
deinen anderen Mädchen dort warst …‹ Lass es, beschwor er sich. Was willst du da?
Es gibt keinen Fall, also gibt’s auch keine Spuren. Vergiss endlich deinen Riecher.
»Eine kleine
Landpartie? Hört sich gut an«, meinte Laura nach einer Pause. »Und etwas anderes
zu sehen als die Stadt, in der meine Schwester …« Sie verstummte.
»Lass uns
einfach hinfahren«, schlug er vor. »Wenn nicht zum Essen, dann eben auf ein gutes
Glas Wein. Die haben da tolle Kaiserstühler Tropfen.« Vom ersten Augenblick an war
John sich sicher gewesen, dass die unbekannte Frau nur den Karpfen gemeint haben
konnte. Das Lokal war jedem Einheimischen ein Begriff. Nur gab es dennoch keinen
einzigen halbwegs vernünftigen Grund, dorthin aufzubrechen. Oder doch bloß wegen
der hervorragenden Karte?
»Ich hatte
gar keine Ahnung davon, dass du ein Auto besitzt.«
John murmelte
nur irgendwas und nickte vor sich hin. Sie musste ja nicht wissen, dass es bloß
geliehen war.
Wenig später
saßen sie in Tante Jus in die Jahre gekommenen Ford Fiesta, in dem es penetrant
nach dem am Rückspiegel baumelnden Vanille-Duftbaum roch. Sie fuhren aus Freiburg
hinaus in Richtung Emmendingen. Ein Schweigen hatte sich breitgemacht, und noch
immer hatte John den Eindruck, Laura warte darauf, dass er ihr irgendetwas sagte.
Es dauerte nicht lange, bis sie Bahlingen erreichten, eine winzige Ortschaft, idyllisch
am Kaiserstuhl gelegen, deren Hauptstraße sich kurvig zwischen schönen alten Fachwerkhäusern
und Bauernhöfen hindurchschlängelte. Der Parkplatz des Restaurants war ziemlich
leer – zu früh für die Abendessengäste.
John und
Laura wählten einen Tisch am Fenster. Ein typischer Landgasthof, urig, gemütlich,
ein gekachelter Ofen, viele Zinnteller und Gemälde mit Winzer- und Anglermotiven
an den Wänden. Ein dickbäuchiger Mann mit grauem Haar, offensichtlich der Wirt,
hinter dem Tresen, eine junge Bedienung in einer Trachtenschürze, ein etwa gleichaltriger
Kellner in schwarzer Hose und weißem Hemd und ein paar Herren am Stammtisch, die
zum Lokal zu gehören schienen wie die Holzstühle und -tische. Leise Radiomusik aus
dem Hintergrund. Ein Bild makelloser Langeweile.
Nach einem
prüfendem Blick versuchte sich John den untersetzten Mann mit seiner herausgeputzten
Begleitung hier vorzustellen – was nicht gerade leichtfiel. Aber wenn selbst dieser
Messerschwinger den Weg in den Karpfen fand, sagte
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